Ach Franz. Aaaaach Siiiisssssssiiiiiiiii—“ Mit solchen Dialogen schrieben Romy Schneider und Karlheinz Böhm Filmgeschichte.
Kaiserkitsch in ordensbehangener Uniform und sperrigem Reifrock war genau das Richtige für das Heile-Welt-Kino der Adenauerjahre.
Aber wo wurde Sissi gedreht?
Wo dreht man epische Romanzen, wenn das Land weitgehend in Trümmern liegt und die östlichen Gebiete Deutschlands und Österreichs von misstrauischen Sowjets besetzt sind?
Als Sissi-Drehort muss ein Schloss her
Zunächst musste ein malerisches Schloss her. Futter für die Fantasie.
Die echte Elisabeth wuchs ja vor ihrer Zeit als Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn als verhätschelte Bayern-Prinzessin auf Schloss Possenhofen am Starnberger See auf – von ihr liebevoll „Possi“ genannt.
Schloss „Possi“ fiel durch
Die herzogliche Familie hatte Schloss Possenhofen 1940 an die NS-Volkswohlfahrt verkauft.
Es war während des Zweiten Weltkriegs dann derart intensiv zweckentfremdet worden (als Lazarett, Fabrik für Fahrrad-Hilfsmotoren und am Ende als Schafstall), dass es im Film bestenfalls als Kulisse hätte dienen können.
Der Starnberger Landrat dachte schon laut darüber nach, das Schandfleck-Schloss demnächst abreißen und statt dessen eines der damals zeitgemäßen Betonhotels hinklotzen zu lassen. Das Schloss ist heute in Privatbesitz und kann nicht besichtigt werden.
Sissi-Regisseur Ernst Marischka war das einstige Herzogsdomizil mit seinen vier Zinnentürmen ohnehin nicht märchenhaft genug. Wenn schon ein prächtiges Prinzessinnenschloss, dann bitte richtig.
Und wer würde sich mit Prunkbauten besser auskennen als ein Kirchenfürst?
Drehort Schloss Fuschl statt Schloss Possenhofen
Bei der Location-Suche für die Außenaufnahmen blieb Marischka folglich am Renaissance-Schloss Fuschl hängen, einem ehemaligen Jagdschloss der im Burgenbau recht bewanderten Salzburger Erzbischöfe – und idyllisch am Ufer des Fuschlsees gelegen.
Die historische Sissi hat das Schloss nie betreten, sie ist bestenfalls mal daran vorbeikutschiert.
Über der Anlage lastete noch ein dunkler Schatten, was den Regisseur aber nicht weiter störte.
Der vorherige Besitzer war wenige Jahre zuvor nach den Nürnberger Prozessen als Kriegsverbrecher am Galgen gestorben: Joachim von Ribbentrop.
Der NS-Außenminister hatte sich das Schloss vor dem Krieg durch eine Enteignung gesichert, Den dagegen protestierenden Eigentümer Gustav Nikolaus Edler von Remiz ließ Ribbentrop ins Konzentrationslager Dachau werfen, wo dieser 1939 starb.
Die wertvollen Gemälde aus dem Schloss gelten seit Kriegsende 1945 übrigens als verschollen.
Ausritte vor Alpen-Panorama
Aus Sicht der Kameraleute der Jahre 1957/58 war Schloss Fuschl ein prima Ort, um romantische Bootspartien und Ausritte vor dem Panorama von Alpen und Fuschlsee abzudrehen, im Kino wurde daraus natürlich der „Starnberger See“.
Das Schloss ist seit 1958 ein Nobelhotel („Schloss Fuschl Resort und Spa“, Link zum Hotel), natürlich mit liebevoll restaurierter „Sissi-Suite“ mit unverbaubarem Blick auf den See.
Als Franz und Sissi im Kino zum angetrauten Paar wurden, wechselt die filmische Szenerie.
Bei „Sissi – Schicksalsjahre einer Kaiserin“ geht’s ins kaiserliche Wien der K.u.k.-Ära mit Schloss Schönbrunn, Geburtsort und Sommerresidenz von Kaiser Franz-Josef.
In späteren Jahren pflegte der Monarch in seiner goldenen Kutsche durch den Schönbrunner Schlosspark zu fahren, was sowohl Adolf Hitler als auch der Exilant Josef Stalin beim Spazierengehen dort bemerkten. Eine seltsame Überschneidung von Schicksalslinien.
Marischka drehte nur wenige Szenen im und vor Schloss Schönbrunn. Der größte Teil der Innenaufnahmen habe angeblich im Stadtpalais Lichtenstein in Wien stattgefunden.
Die Schönbrunner Schlossverwaltung ficht das nicht an. Sie versucht, noch das Letzte aus dem Sissi-Erbe herauszuholen, notfalls in Form von Mengenrabatt: Den erhält, wer mit dem „Sisi-Ticket“ für 44 Euro für Erwachsene Schloss, Hofburg und „Hofmobiliendepot“ besichtigt.
Für Kinder werden 30 Euro fällig. Die Audioguide-Nutzung ist im „Sisi-Ticket“ inklusive. Für die Tour hat man ein Jahr Zeit.
Die Kaisergruft, wo ihre sterblichen Überreste liegen, gehört übrigens nicht zu den ermäßigten Sissi-Ticket-Zielen…
Drehort Korfu war zu teuer
An Sissis letzten Urlaubs-Wohnsitz vor ihrer Ermordung in Genf, dem Achilleion auf Korfu, zu filmen, dürfte der Marischka-Truppe dann doch zu aufwendig gewesen sein. 1907 hatte Kaiser Wilhelm II. das Anwesen gekauft.
Statt dessen mussten ein paar Reisebilder vor Mittelmeer-Kulissen reichen. Das Achilleion kann man heute immerhin besichtigen.
Sissi-Darstellerin Romy Schneider hat übrigens selbst vier Jahre lang auf einem österreichischen Schloss gelebt. Sie besuchte von 1949 bis 1953 das Internat Schloss Goldenstein in Elsbethen bei Salzburg.
Das trutzige Schloss aus der Zeit um 1400 wird heute weiter als katholische Mädchenschule benutzt und ist leider nicht zugänglich.
Der Sissi-Mythos erlebt alle paar Jahre ein Revival. Im Moment scheint es wieder soweit zu sein:
Das Sissi-Musical „Liebe, Macht und Leidenschaft“ tourt seit Januar 2014 durch Deutschland. Und im „Sisi-Schloss“ Unterwittelsbach, einem Wasserschloss bei Aichach, auf dem die herzogliche Familie gelegentlich Ferientage verbrachte, eröffnete im Mai 2014 die Ausstellung: „Sisi – Fernweh einer Kaiserin“
Das Thema Sissi-Hotel ist natürlich seit eh und je ein gefundenes Fressen für die Yellowpress. Jüngst brachte mal wieder die „Bunte“ ein Stück: „Nobel nächtigen im „Sissi“-Hotel“
Werbung für die Sissi-Saga
Gut 25 Millionen Menschen sahen sich die Sissi-Trilogie an. Hier mal zeitgenössische Kinowerbung für „Sissi: Die junge Kaiserin“:
Und hier der Trailer zu „Sissi – Schicksalsjahre einer Kaiserin“ von 1957:
Sissi in „Die Kaiserin“ auch auf Netflix
2022 kam Netflix ja mit einer neuen Sissi-Serie „Die Kaiserin“ um die Ecke – mit Devrim Lingnau und Philip Froissant als Kaiserpaar Sissi & Franz. Siehe die Rezension „Romantisch glotzen“ auf SPON (Link zum Artikel). Ich bin ja mal auf die Drehorte gespannt…