Ausgrabung der Holzburg Niendorf: Blick in die Zeit des Sachsenkriegs




Die Motte von Guedelon
Nachbau des Turms einer Holzburg (Motte) in Guédelon / Foto: Burgerbe.de
Der Sachsenkrieg Heinrichs IV. 1073 bis 1075 war eine unschöne Angelegenheit. Der König hatte aus der Bevölkerung am Harz ein Maximum an Steuern herausgepresst, u.a. um seinen prunkvollen Hof in Goslar unterhalten zu können.

Heinrich hatte rund um den Harz Burgen angelegt, um seine Ländereien zu schützen und sie mit seinen schwäbischen Landsleuten besetzt. Für die Sachsen eine Provokation.

Das Ganze eskalierte schließlich im sogenannten Sachsenaufstand.

2010 entdeckten Archäologen in einem Moorbereich an der Ohre in Haldensleben Spuren dieses Konflikts: die bemerkenswert gut erhaltenen Überreste der mittelalterlichen Holzburg Niendorf aus dem 11. Jahrhundert. Danach wurde die eindrucksvolle Befestigungsanlage auf dem etwa fünf Hektar großen Grabungsareal auf einem Firmengelände ganz freigelegt.

„Die Grabungen erbrachten außergewöhnliche Funde und Befunde, die insbesondere unser Bild von der Gestalt und Entwicklung der Festungsanlage bereichern“, schreibt das Landesamt für Archäologie und Denkmalpflege Sachsen-Anhalt in einer Pressemitteilung.

Der nun komplett aufgedeckte Burggrundriss des 11. Jahrhunderts zeigte eine annähernd quadratische, kastellartige Holz-Erde-Befestigung mit einer Seitenlänge von ca. 35 Metern.

Massive Eichenbohlen (gefällt  1076/77), die durch starke Holzpfosten gesichert waren, bildeten die Außenseite der Befestigungswälle. Dahinter befanden sich grob zurechtgehauene Eichenstämme.

Diese Längshölzer waren im rechten Winkel mit Stämmen verkämmt, die als Ankerbalken in einem Erdwall saßen. Von der ursprünglich mehrere Meter hohen Wallkonstruktion haben sich die untersten Lagen aus 300 bis 400 Stämmen mit bis zu 60 Zentimeter Durchmesser komplett erhalten.

Im Westen der Anlage befand sich möglicherweise ein Befestigungsturm oder auch eine Toranlage.

Luftbild der südwestlichen Ecksituation der hochmittelalterlichen Befestigung aus mächtigen Eichenhölzern (Foto: LDA/Eckerlin)

Genau gegenüber im Osten deutet eine dem Wall vorgelagerte Holzkonstruktion, die von einer Brücke stammen könnte, auf eine Zugangssituation. Die Funktion mächtiger Pfostenstellungen im Norden der Befestigung soll eine Erweiterung der Grabungsfläche klären.

Wahrscheinlich im 12. Jahrhundert wurde vor der hölzernen Wallfront eine etwa 1,7 Meter breite, zweischalige Mauer aus in Kalkmörtel gesetzten Steinen errichtet.

Das Fundament der Mauer ist durch sekundär verbaute Eichenhölzer verstärkt. Brandspuren an diesen Balken im nördlichen Bereich der Befestigung deuten darauf, dass die älteren Holzburg einem Feuer zum Opfer gefallen ist.

Auch das Steinmaterial der jüngeren Mauer zeigt im nördlichen Abschnitt Brandspuren. Die Archäologen fragen: Wurde die Burg wiederholt gebrandschatzt?

Innerhalb der Burgganlage gibt es Hinweise auf Gebäude. Herausragend sind in einmaliger Weise erhaltene hölzerne Konstruktionsteile von Dächern und Wänden.

Große Bedeutung kommt einem zwischen dem Steinversturz der Burgmauer freigelegten Pferdeskelett zu. Steht es mit der Eroberung oder Schleifung der Burg in Zusammenhang?



Spielstein aus Horn / Foto: LDA Halle
Spielstein aus Horn / Foto: LDA Halle

Die gehobene soziale Stellung der Burgbewohner (und die gelegentlich aufkommende Langeweile an öden Winterabenden) spiegelt ein Spielstein aus Horn eindrucksvoll wider.

Die Oberseite des flachen Steines ziert eine qualitätvolle Vogeldarstellung, die als Adler anzusprechen ist. Der Stein dürfte zu einem Brettspiel gehört haben.

Großer Beliebtheit erfreuten sich im Hochmittelalter Trictrac (Backgammon) und Mühle. Aber auch Schach.

Mittelalterliche Spiel-Utensilien werden immer wieder gefunden. Zuletzt hatte bei einer Grabung auf der Falkenburg bei Detmold die Entdeckung einer zehn Zentimeter großen Bischofsfigur für Schlagzeilen gesorgt. Sie gehörte zu einem hochmittelalterlichen Schachspiel.

Aber zurück nach Sachsen-Anhalt: Unmittelbar nordöstlich der Burg Niendorf wurde auf einer Sandterrasse ein mittelalterliches Siedlungsareal mit einer Grabenanlage weiter untersucht.

Ein seit dem Hochmittelalter deutlich angestiegener Grundwasserspiegel hat dazu geführt, dass sich auch von den Gebäuden dieser Siedlung, insbesondere von eingetieften Grubenhäusern, zahlreiche Hölzer erhalten haben.

Erste dendrochronologische Untersuchungen zeigen, dass die Siedlung bis ins 9. Jahrhundert zurückreicht.

„Da die ältesten frühmittelalterlichen Keramikfunde dem slawischen Kulturkreis zugeordnet werden können, sind hier äußerst spannende Ergebnisse zur Siedlungsgeschichte der Grenzregion an der Ohre zu erwarten“, schreibt das Landesamt.

Dieser Artikel besteht hauptsächlich aus einer Pressemitteilung des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt (LDA) von Juli 2011.

Auch das Interesse der Bevölkerung an der Ausgrabung „ihrer Sumpfburg“ ist groß. Dazu ein Artikel von Claudia Labude aus der Volksstimme: „Wie ein Holzteller und Lederreste Archäologen zum Träumen bringen