Graf Orlok wohnt standesgemäß. Der glatzköpfige Klauenmann aus dem Horrorfilmklassiker Nosferatu (1922), Wegbereiter für ein ganzes Genre bis hin zu heutigen Blutsaugerschnulzen a la „True Blood“, haust auf einer gruseligen Burg.
Nosferatu-Dreh: Neuland für Murnau
Regisseur Friedrich-Wilhelm Murnau betrat bei den Dreharbeiten für den epochemachenden Stummfilm Neuland: Er ließ die verfallende Burgkulisse nicht bequem in Berlin nachbauen, sondern fuhr mit der gesamten Schauspielertruppe nach Dolný Kubín in die abgelegene westliche Tatra.
Das Filmteam mitsamt Orlok-Darsteller Max Schreck fand sich also im Sommer 1921 vor einer mehr als hundert Meter über dem Flüsschen Orava aufragenden Felsklippe wieder, gekrönt von der Arwaburg/Burg Orava.
800 Treppenstufen führen hinauf zu einer der schönsten Burgen der Slowakei. Heute kann man sie besichtigen.
Die blutige Geschichte der Nosferatu-Burg
Wenn die Einheimischen sich im Film angesichts des schaurigen Anblicks der Burg („hier beginnt das Land der Phantome“) standhaft weigern, Thomas Hutter (Gustav von Wangenheim) hinaufzubringen, ist das durchaus glaubhaft.
Denn die Geschichte der Gemäuers ist natürlich blutig (auch wenn es hier auch ausnahmsweise keine Vampirgeschichten gibt, die Anlage liegt schließlich nicht in den Karpaten).
Die Grenzburg an der Handelsroute nach Polen galt lange als Nest von Aufständischen gegen die Habsburger. Burgherr Stephan Thököly starb hier am November 1670 bei der Verteidigung seines Besitzes gegen kaiserlich-österreichische Truppen.
Für „der-schwarze-planet.de“ hat Shan Dark die Burg besucht und den heutigen Zustand mit den bekannten Filmszenen verglichen.
Burg ist gut erhalten
Erstaunlich dabei: Die Burg hat die turbulenten Zeiten gut überstanden. Es sieht da offenbar in weiten Teilen noch so aus wie vor 100 Jahren. Sollte jemand auf die Idee kommen, Nosferatu Teil 2 zu drehen („Graf Orloks Rückkehr“ oder so…) müsste er gar nicht mal viel verändern.
Nur der Keller mit dem Sarg, in dem der Graf sich vor den für ihn tödlichen Sonnenstrahlen versteckte, ist nicht auffindbar. Wobei nicht klar ist, ob die Sequenzen überhaupt hier aufgenommen wurden.
Die inzwischen ikonische Szene mit dem blutdurstigen Orlok am Treppengeländer wurde auf jeden Fall hier abgedreht. Das Geländer ist noch erhalten.
Ein Teil der Außenszenen wurde übrigens in Wismar gefilmt. Dabei kamen der alte Hafen und mehrere Kirchen der Hansestadt düster ins Bild.
Nosferatu-Aufführungen werden gestoppt
Nosferatu konnte die Kinokassen nur gut drei Jahre lang zum Klingen bringen.
1924 hatte die Witwe von „Dracula“-Erfinder Bram Stoker vor einem Berliner Gericht die komplette Zerstörung aller Negative und Positive des Films erwirkt – das Gericht sah die Story als genehmigungspflichtiges Remake des Dracula-Stoffs an.
Und Frau Stoker wollte sich nicht mit Murnau einigen und sich am Gewinn beteiligen lassen. Die Chancen, dass der Film einigermaßen annehmbare Summen abwerfen würde, standen in ihren Augen denn doch zu schlecht…
Kurz bevor sich das Filmteam in die Tatra aufmachte, hat ein heute prominenter Schriftsteller die Burg besucht: Franz Kafka. Offenbar inspirierte ihn das Gebäude zu seinem Roman „Das Schloss“.
Mehr dazu in einem Artikel von Peter-André Alt in der Süddeutschen Zeitung: „Franz Kafka und Murnaus ‚Nosferatu‘: Die Burg des Grauens„.
Es sollte bis 1979 dauern, bis sich wieder ein Regisseur an den Gruselstoff traute. In diesem Jahr drehte Werner Herzog „Nosferatu: Phantom der Nacht“ mit Klaus Kinski in der Hautrolle.
Weiterlesen:
Und hier geht’s zum lesenswerten, reich bebilderten Artikel von Shan Dark über den ersten Nosferatu-Film: „Drehort Nosferatu: Die Burg zum Film“
Das Nosferatu-Remake aus Hollywood
Zu Weihnachten 2024 kommt übrigens ein Nosferatu-Remake in die US-Kinos. Mit dabei sind unter anderem Bill Skarsgård, Lily-Rose Depp und Willem Dafoe. Regie: Robert Eggers.
Das meldet die Website des Deutschlandfunks als kurze Meldung unter der Überschrift „Wiederauflage des Filmklassikers „Nosferatu“ soll 2024 herauskommen“ (Link zum Artikel)
Das Original „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ von 1922 ist derweil in voller Länge bei YouTube zu sehen:
FunFact: Genau 100 Jahre später rückte wieder ein Filmteam für einen leicht gruseligen Streifen bei einer osteuropäischen Burg an.
Für die Dreharbeiten zu „Wednesday“ mit Jenna Ortega wurde eine Filmkulisse in Rumänien ausgewählt.
Ein Kommentar nicht zur Burg, sonderm zum Film: Auch ich bevorzuge die hier gepostete Version aufgrund der Musik, die nach meinem Empfinden die beste ist. Leider aber sind hier die Name ins Englische übertragen, es fehlen Szenen und die Farbe, die damals mittels verschiedener Filter beim Drehen eingefügt wurde, ist auch nicht erhalten. Dadurch gehen manche Effekte, wie das Fahren durch den Zauberwald, komplett verloren. Man sollte sämtliche Versionen wenigstens einmal gesehen haben!
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