Die Landkarte Westeuropas sähe heute anders aus, hätte es sich Burgunderherzog Karl „der Kühne“ (1433-1477) nicht mit den Schweizern verscherzt.
Die Eidgenossen waren zwar weder gute Reiter noch Bogenschützen. Schwertfechten konnten sie ebenfalls nicht so besonders.
Und selbst ihre fortschrittlichste Waffe, die durchschlagskräftige Armbrust krankte an einem spezifisch schweizerischen Problem.
Sie war zwar hochentwickelt, auf dem Schlachtfeld allerdings viel zu langsam beim Nachladen, um die Lanzenattacke eines heranbrausenden, schwer gepanzerten Ritterheers aufzuhalten.
Aber eines hatten die Schweizer allen anderen Armeen ihrer Zeit voraus: Ihre disziplinierte Bürgertruppe verstand es, mit meterlangen Piken, Stechlanzen und Hellebarden umzugehen. Dicht an dicht standen die Pikaniere und deckten sich gegenseitig mit ihren Klingen. Für die Kavallerie dieser Zeit ein unangreifbares Hindernis.
Karl und die Schweizer
Karl „der Kühne“ wollte das nicht einsehen. Einfache Bürger waren für den Ritter, der den Orden vom Goldenen Fließ ständig um den Hals trug, kein ernstzunehmender Gegner. Schließlich gebot er über tausende professionelle Söldner und einen ganzen Park damaliger Hightech-Waffen: Frühe Kanonen.
Als er erstmals im März 1476 mit 20.000 Mann einem Aufgebot von etwa 18.000 Schweizern bei Grandson gegenüberstand, befahl der Herzog wie gewohnt den Frontalangriff der schweren Kavallerie auf die Lanzenträger.
Die Brechstangen-Methode hatte bislang schließlich immer geholfen.
Als die eingeigelten Eidgenossen mehrere Reiter-Attacken blutig abgeschlagen hatten, ließ der Herzog das Heer umgruppieren. Dann sollten eben die Infanterie, die englischen Langbogenschützen und die 400 burgundischen Geschütze mit den Schweizer Haufen aufräumen.
Dummerweise tauchte just in dieser Phase eine weitere schweizer Armeegruppe auf dem Schlachtfeld auf. Durch laute Hörnerstöße kommunizierten die schweizerischen Truppenteile miteinander. Und ihr Signal hieß jetzt: Angriff auf die sich umgruppierenden Feinde.
Burgunder in Panik
Das versetzte die burgundischen Truppen in Panik. Es kam gar nicht mehr zum richtigen Kampf: Alles flutete zurück.
Die Berittenen konnten sich problemlos retten, da die Eidgenossen über fast keine eigene Kavallerie verfügten. Die Fußsoldaten kamen mit 1000 Toten davon.
Doch ein Großteil des luxuriösen burgundischen Zeltlagers – inklusive der Kanonen – fiel den triumphierenden Schweizern in die Hände: Die freuten sich über ihre bis heute sprichwörtliche Burgunderbeute.
Die Eidgenossen erbeuteten 419 Geschütze, 800 Hakenbüchsen und 300 Tonnen Schießpulver. Hinzu kam der mit Perlen verzierte Hut und das Prunkschwert Karls, sein goldener Stuhl nebst ebensolchem Siegel und seine Diamanten.
Außerdem fanden sich noch Mengen wertvoller Tapisserien und reichlich Stoff der Luxuszelte im Lager. Letzterer wurde zu großen Teilen zu eleganter Kleidung für die Damen der schweizerischen Haute Volée verarbeitet.
Teppiche mit Symbolwert
Einen hohen Symbolwert hatte der burgundische Wappenteppich. Er zeigt die diversen Einzelwappen der vielen burgundischen Länder. Sie erstreckten sich vom heutigen Burgund über die Picardi bis zu den Beneluxstaaten.
Die Schweizer gingen nicht sonderlich respektvoll damit um. Sie zerschnitten das Tuch der Größe wegen in vier Teile und lagerten es in den folgenden Jahrhunderten auf Burg Thun ein.
Den edlen Stoff nutzten sie bestenfalls zum winterlichen Abdichten der zugigen Fenster.
Erst 1883 bemerkte man, was für eine Textilie man da achtlos als Dichtungshilfe verwendet hatte. Das Wappentuch wurde bald zum Prunkstück des historische Museums auf Schloss Thun, wo es heute noch (hinter Glas) in einem eigenen Saal zu sehen ist.
Karl der Kühne hat aus der Niederlage von Grandson rein gar nichts gelernt. Das sollte ihm schließlich zum Verhängnis werden.
Im Januar 1477 stellte er sich vor Nancy einem überlegenen eidgenössisch-lothringischen Heer. Den Schweizern gelang es, die Burgunder in der Flanke zu fassen und regelrecht aufzurollen.
Der Tod Karls des Kühnen
Karl wollte das offenbar bis zum letzten Moment nicht wahrhaben. Er floh sehr spät zu Pferd, wurde eingeholt und durch Stiche verletzt.
Ein Hieb mit einer Hellebarde spaltete dem Burgunder den Schädel. Davor schützte auch das Goldene Fließ nicht.
Tage später wurde seine ausgeplünderte Leiche gefunden. Auch der legendäre Orden war fort – und wurde wohl zu schnellem Geld gemacht.
Nach Karls Tod brach der französische König gleich große Teile aus dem burgundischen Reich heraus, das nie mehr seine einstige Größe erreichen sollte. Die lädierten Überreste von Karl fanden schließlich in Brügge ihre letzte Ruhe.
Stücke der Burgunderbeute sind heute zu sehen im:
Museum Schloss Thun
Schlossberg 1
3600 Thun
(Eintritt: Zehn Franken)
Öffnungszeiten von Schloss Thun:
Februar und März
täglich 13 bis 16 Uhr
April bis Oktober
täglich 10 bis 17 Uhr
November bis Januar
sonntags 13 bis 16 Uhr
Ein paar YouTube-Bilder von Schloss Thun: