Viele Japaner finden deutsche Burgen faszinierend. Die rheinische Marksburg wurde, nachdem sich Kauf und Verschiffung als unmöglich erwiesen, in Nippon sogar nachgebaut. Diese Lust am alten Gemäuer könnte damit zu tun haben, dass in ihrem Mutterland nur wenige Burgen überdauert haben.
Das wiederum liegt an der bevorzugten japanischen Burgenbauweise: Fundament und Grundmauern aus Stein, der Rest aus Holz.
So entstehen natürlich auch stolze, repräsentative Landmarken – die sich nur dummerweise bereits beim kleinsten Brand in einen traurigen Haufen kokelndes Gebälk und Asche verwandeln können.
Glücklicherweise sind die Japaner sehr gut im Rekonstruieren ihrer eigenen Architektur.
Und deshalb kann man heute Okayama Castle besichtigen – wegen seiner schwarzen Farbe auch als Krähenburg bezeichnet.
Stadt und Burg Okayama liegen etwa auf halbem Weg zwischen Osaka und Hiroshima. Der Fluss Asahi trennt die Burg von einem historischen japanischen Garten, dem Korakuen.
Errichtet wurde die Burg zwischen 1573 und 1597, fertiggestellt unter Fürst Hideie Ukita. Die Grundmauern bilden ein asymetrisches Fünfeck. Der Bau selbst besteht aus drei übereinander gestapelten zweistöckigen Bauten.
Es sieht alles etwas verschachtelt aus, und soll das es wohl auch. Die sechs Stockwerke messen laut Faltblatt 21 Meter. An den Turm schließt sich noch ein ehemaliger Salzspeicher an.
Die gesamte Anlage mitsamt Mauerring hatte früher 35 Türme und 21 Tore. Heute steht nur noch ein Tor. Zur Anfangszeit soll man sogar von der goldenen Krähenburg gesprochen haben, da Teile des Dachs einst angeblich mit Gold gedeckt waren.
Heute sind davon nur noch einige mit Plattgold überzogene Drachen (zur Dämonen-Abwehr) übrig geblieben
Viel Freude hatte der Ukita-Clan an seiner gerade fertig gestellten Burg nicht. Im Oktober 1600 beteiligte sich Hideie mit 17.000 Mann an der großen Schlacht von Sekigahara. Allerdings auf der falschen Seite. Er verlor, was auch mit dem Verrat diverser Fürsten zusammenhing, und fand sich im Exil auf der Insel Hachijo-jima wieder.
Burg und Land gingen als Kriegsbeute zunächst an Hideaki Kobayakawa, einen früheren Gefolgsmann Hideies, der sich in der Schlacht gegen seinen Herrn gestellt hatte.
Das schlechte Gewissen könnte Hideaki dazu getrieben haben, seine neuen Untertanen zum Bau eines 1,6 Kilometer langen Burggrabens zu zwingen – dieser soll angeblich in der Rekordzeit von nur 20 Tagen ausgehoben worden sein.
Hideaki starb bereits nach zwei Jahren plötzlich (wohl eines natürlichen Todes) und ohne Nachkommen, und die Burg fiel an die Ikeda-Familie.
Diese schrieb Kontinuität groß: Zwölf Ikeda-Burgherren wechselten einander bis ins Jahr 1869 ab. Im Zuge der Meji-Restauration wurde die Burg dann Staatsbesitz.
Der Staat interessierte sich aber nicht sonderlich für die militärisch völlig unbedeutende Anlage und ließ 1882 dutzende Gebäude abreissen.
Erst 1930/32 wurden die verbliebenen vier Gebäude (die Burg selbst, zwei Türme und das Ishiyama-Tor) unter Schutz gestellt. Am 29. Juni 1945 beendeten amerikanische Brandbomben dann die Geschichte der historischen Burganlage.
Nur ein Turm zur Mondbeobachtung (Tsukimi Yagura) überstand die Flammen.
Was man heute sehen (und besichtigen) kann ist ein detailgetreuer Nachbau von 1966 aus Beton und Holz. Sogar mit Aufzug.
Innen gibt es einige (hauptsächlich japanisch beschriftete) Exponate zur Geschichte der Burg und (interessantere) Wechselausstellungen.
Am ehesten lohnt sich noch der Blick aus den oberen Fenstern.
Auch ein Teil der Mauer und drei Tore wurden wieder errichtet. An der Burg finden gelegentlich Festivitäten mit Musik und Schattentheater statt.
Der Ikeda-Familie hat der Verlust der Burg nicht geschadet. Sie hat viele bedeutende Politiker, Wissenschaftker und Künstler hervorgebracht. Das aktuelle Familienoberhaupt Takamasa Ikeda ist immerhin mit einer Tochter von Kaiser Hirohito verheiratet.
Links: Okayama-Castle-Eintrag bei Wikipedia (engl.). Empfehlenswert ist der ausführliche Wikipedia-Artikel über die„japanische Burg“.
Fotos: Burgerbe.de aus dem November 2010 (Anklicken zum Vergrößern)