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„Tiroler Klüngel“: Längste Hängebrücke der Alpen soll zwei Burgen verbinden


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Die Burgruine Ehrenberg über Reutte im Außerfern in Tirol (Bild: Wikipedia/Patrick Huebgen/CC BY-SA 3.0)

Endlich mal ein Burgen-Thema, das auch für den Brücken-Blog interessant wäre: Das tiroler Kulturprojekt Burgenwelt Ehrenberg plant bis Herbst 2009 den Bau einer 312 Meter langen Fußgänger-Hängebrücke zwischen der Burgruine Ehrenberg und dem Fort Claudia über der Gemeinde Reutte.

Armdicke Stahlseile sollen den schwankenden Steg bis zu 110 Meter über Grund halten. Mutige Brückengeher müssten sich anseilen. Durchs Tal führt eine vielbefahrene Fernstraße. Das ganze soll wie ein „Tor nach Tirol“ wirken – und nachts beleuchtet sein.

Geplante Kosten: 960.000 Euro (ein Drittel könnte aus EU-Fördermitteln kommen). Das melden Tirol Online und die Webseite des Kulturprojekts Ehrenberg.at.
Wenn ein privater Investor dahinterstände, der die Finanzierung übernimmt, fände das Projekt meine rückhaltlose Unterstützung.

Aber hier sollen ambitionierte Pläne mit reichlich Steuergeld umgesetzt werden, das der Gemeinde dann möglicherweise zum Erhalt historischer Bauten fehlt.

Und finanziell profitieren würden in erster Linie die Planer selbst.

Die Idee, die Gemäuer (übrigens teilweise in Privatbesitz) spektaklär zu verbinden, ist grundsätzlich schlüssig und durchaus bestechend. Ruine Ehrenberg und Fort Claudia bilden zusammen mit der Festung Schlosskopf „eines der bedeutendsten Festungsensembles Europas“, um mal aus Wikipedia zu zitieren. Drei Befestigungen in unmittelbarer Nähe?

Das hat schlicht damit zu tun, dass die erste Burg, Ehrenberg (1050 Meter hoch), in staufischer Zeit errichtet wurde, als es noch keine Rolle spielte, dass umliegende Gipfel höher waren. Hauptsache, man hatte den wichtigen Nordsüd-Handelsweg durch die Alpen unter Kontrolle.

Der verlief hundert Meter unter der Burg, wo Reisende – an der Ehrenberger Klause – Zoll zu entrichten hatten. Die Burg deckte die Klause.



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Fort Claudia (Bild: Wikipedia/Dark Avenger/CC BY-SA 3.0)

Im Zeitalter der Kanonen erwies sich ihre Lage jedoch als gravierender Nachteil. 1546 setzten sich beispielsweise Truppen des Schmalkaldischen Bundes in der Burg fest.

Den Tirolern gelang es im Gegenzug, sieben Kanonen auf die nächste Anhöhe, den Falkenberg, zu ziehen und von dort aus die Burg sturmreif zu schießen. Die Protestanten flüchteten.

1632 konnte man 6000 Mann des Herzogs Bernhard von Weimar zurückschlagen, auch weil man den Falkenberg befestigt hatte. 1639 wurde der Berg dann mit Fort Claudia bebaut, benannt nach der Auftraggeberin Claudia von Medici.

1703 schossen die Tiroler die Burg erneut sturmreif. Diesmal waren die Gegner die Bayern, und die Kanonen standen auf dem 150 Meter höheren Schlosskopf. Um die Burg verteidigen zu können, musste auch diese Anhöhe befestigt werden, was bis 1742 mit der Festung Schlosskopf geschah.

Keine sonderlich zukunftsträchtige Idee, denn 1782 wurden die Tiroler Festungen bis auf Kufstein aus militärischen und finanziellen Gründen aufgegeben.

Die Ehrenberger Klause, eine Befestigung im Tal, beherbergt heute das Museum „Dem Ritter auf der Spur“ (betrieben von der Burgenwelt Ehrenberg/Verein Europäisches Burgenmuseum), das im Internet einen sehr guten Eindruck macht.

Verflechtung von Architekturbüro und Verein

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Burg Ehrenberg vom Schlosskopf aus (Bild: Wikipedia/Dark Avenger/CC BY-SA 3.0)

Was mich an dem ganzen Brücken-Projekt stört, ist die enge Verflechtung von Verein und Architekturbüro und das Ausblenden von Kritik. Die Idee stammt vom Geschäftsführer der Ehrenberger Burgenwelt, einem Architekten.

Dessen Büro arbeitet bereits intensiv an der Instandsetzung des Festungsensembles und würde sicher auch die Planung der Hängebrücke übernehmen.

Mit anderen Worten, da sorgt ein Architekt als Vereins-Geschäftsführer dafür, dass er als Architekt einen fetten Auftrag an Land zieht. Finanziert aus Steuer- und EU-Mitteln. Jede Wette, dass es nicht bei den veranschlagten 960.000 Euro bliebe.

Der Bürgermeister („Reutte schlägt wieder einmal Brücken zwischen der Neuzeit und der Historie. Das wird ein Highlight weit über die Region hinaus“) ist zufällig gleichzeitig Obmann des Burgenwelt-Vereins.

Die Lokalpresse lässt derweil im Online-Artikel nur positive Stimmen zu Wort kommen, zitiert euphorische Tourismus-Manager, statt die Bürger vor Ort nach ihrer (kritischen) Meinung zu fragen…

Klingt doch sehr nach tiroler Klüngel.



Unter dem Tirol-Online-Artikel (nicht mehr verfügbar) fanden sich denn auch prompt und ausschließlich kritische Leserstimmen. So fasste ein Besucher zusammen:

„Diese Brücke ist natürlich völlig sinnlos. Hier werden für einen Architektentraum (und Eitelkeit eines Architekten) sinnlos Steuergelder missbraucht. Glaubt denn jemand ernsthaft, dass wegen dieser Brücke kommt auch nur ein einziger Tourist mehr ins Ausserfern“

Da es ja um einen beträchtlichen Batzen Steuer- und EU-Geld geht, wäre es die Aufgabe der Lokalpolitik das Projekt und die Querverbindungen zu durchleuchten und zu fragen, ob das Geld nicht im Erhalt der historischen Bausubstanz besser aufgehoben wäre.

Denn diese ist nun mal extrem teuer. Mehr als neun Millionen Euro hat die öffentliche Hand laut ORF bereits in die „Vitalisierung“ der Anlage gesteckt. Schade, dass die Lokalpresse da nicht nachfasst. Ich bin mal gespannt, wie’s weitergeht…

Bilder: Wikipedia

Link: Burgenwelt Ehrenberg

Lage:
Museum „Dem Ritter auf der Spur“
Klause 1
6600 Reutte/Tirol (Österreich)



4 Gedanken zu „„Tiroler Klüngel“: Längste Hängebrücke der Alpen soll zwei Burgen verbinden“

  1. Am Stammtisch abgesprochene Vermögensverschiebung fällt in Reutte leider unter Brauchtumspflege. Und auch bei dem von der Reuttener Bevölkerung favorisierten Projekt – Neubau Schwimmbad – würde wer profitieren? Genau: Armin W.
    Wo öffentliche Gelder verbaut werden, ist er nie weit.

  2. Pingback: Umstritten: Hängebrücken-Projekt zwischen Tiroler Burgen | GeschichtsPuls

  3. Das ist ja eine interessante Idee, da bleiben wir dran.
    Ich bin aber überzeugt, dass bei Verwendung von EU-Fördermitteln auch eine Kommission mitreden darf, um über die Verwendung unserer aller Finanzen zu entscheiden und auch EU-weit ausgeschrieben werden muss. Hoffe, das funktioniert tatsächlich so…

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