Wer Jahrzehnte auf einer Burg lebte, kam um schmerzende Erkrankungen des Bewegungsapparates kaum herum. Zu kalt, war’s die meiste Zeit über in den hohen Räumen der Wehrbauten. Die Kamine reichten als Heizung einfach nicht aus.
Diese Leiden, verbunden mit der Lust auf Repräsentation veranlasste viele Adelige, ihre kargen, kalten Burgen am Vorabend und nach Abschluss des Dreißigjährigen Krieges in fensterreiche, modische Schlösser mit komfortablen (beheizbaren!) Wohntrakten umzubauen. So gut es eben ging, wurde die mittelalterliche Bausubstanz integriert.
Doch bei einigen Schlössern ist der militärische Kern trotz aller Prachtentfaltung von Renaissance und Barock noch zu erkennen. Zum Beispiel bei Schloss Wiesenburg im Hohen Fläming, die ihr wehrhaftes Erbe ja auch noch im Namen führt.
Im 14. Jahrhundert war die Gegend zwischen Brandenburgern, Magdeburgern und Kursachsen umkämpft. Und die Wiesenburg, um 1161 vom Ostkolonisator Albrecht dem Bären als „Burgwardium“ erbaut, lag mittendrin. Mehrfach wechselte sie die Besitzer. 1356 fiel sie an Sachsen.
Anfang des 15. Jahrhunderts konnten die sächsischen Kurfürsten den Hohen Fläming ganz unter ihre Kontrolle bringen. 1456 belehnte Kurfürst Friedrich der Sanftmütige die Familie Brand (später Brandt) von Lindau mit der Burg und den umliegenden Dörfern.
Den diversen Zweigen der Familien gelang es, die Anlage mehrere Jahrhunderte in ihrem Besitz zu halten. Die Brands machten aus der trutzigen Burg durch Anbauten einen bequemen Adels-Sitz.
1540 wurde der Ort protestantisch, was man sieben Jahre später bitter bereute und sich die Zeiten der Burg zurückwünschte.
Denn 1547 zogen im Schmalkaldischen Krieg spanische Söldner von Kaiser Karl V. durchs Land. Städtchen und Schloss wurden von der Soldateska – da von „teuflischen Protestanten“ bewohnt – niedergebrannt. Die Brands von Lindau ließen ihren Sitz danach im Renaissance-Stil wieder aufbauen.
In der zweiten Hälfte des 16. und den ersten Jahren des 17. Jahrhunderts erhielt er sein heutiges Aussehen: Eine geschlossene Anlage mit vier geräumigen Flügeln, in die der alte Bergfried (heute 48 Meter hoch) einbezogen wurde.
Hier ließ es sich wahrhaft fürstlich leben. 42 Dörfer, ausgedehnte Wälder und Ländereien sowie eine Brauerei gehörten zur Herrschaft und durften den Luxus der Schlossherren finanzieren. Fünf Vorwerke schützten den Ort. Burgherr Benno Friedrich Brand von Lindau (1571-1625) gab sich nicht ohne Grund den Beinamen „der Reiche“.
Sympatischerweise machte er sich einen Namen, als er 1591 vor Gericht für die Abschaffung des Exorzismus stritt. Kurfürst Johann Georg I. kam in den Jahren vor dem Dreißigjährigen Krieg gerne zur Jagd hierher und ließ sich beköstigen.
Der Kurfürst soll so beeindruckt gewesen sein, dass er versucht habe, dem reichen Benno sein wohlhabendes Ländchen abzukaufen. Der schlaue Brand von Lindau forderte der Einfachheit halber für jeden Baum auf seinem Land ein Ei. Das war dem Kurfürsten dann aber doch zu teuer.
Dass so ein blühendes Gemeinwesen im Dreißigjährigen Krieg den Appetit durchziehender Truppen wecken würde, versteht sich von selbst. Drei schwedische Regimenter ließen es sich 1634 im Ort gutgehen.
Die Brands von Lindau verliessen daraufhin das Schloss. Der reiche Benno bekam den Untergang seines Zeitalters nur noch am Rande mit. Er starb wie erwähnt 1625. Danach wurde sein Besitz durch Erbteilung auseinandergerissen – und geriet in die Kriegswirren.
Obwohl es sich bei den Schweden um Verbündete der Sachsen handelte, wüteten sie ähnlich wie die Spanier. Zu Kriegsende standen im Ort gerade mal noch zehn Häuser.
In den Dörfern der Umgebung, sofern sie noch bewohnt waren, sah es ähnlich aus. Das Schloss blieb allerdings einigermaßen verschont, stand jedoch jahrelang leer und verfiel.
Bereits Ende des 17. Jahrhunderts hatte sich der Ort weitgehend erholt. Die Burggräben wurden zugeschüttet und teilweise mit einem Gutshof überbaut. Um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert kam das Schloss in die Hände des Wittenberger Hofrichter (und Steuereinnehmers) Friedrich von Watzdorf.
Nach dem Ende der Befreiungskriege wurde Wiesenburg Preußen zugeschlagen. Die Aufhebung der Leibeigenschaft in Kombination mit der beginnenden Industrialisierung gaben dem Ort neue Impulse.
Eine Porzellanmanufaktur und eine neue Brauerei siedelten sich an, später kam eine Druckerei hinzu. Bald hatte man auch Anschluss ans Eisenbahnnetz.
1863 bis 1880 ließ Kurt von Watzdorf das Schloss repräsentativ im Stil der Neo-Renaissance umbauen und die Fassaden und speziell die Giebel ausschmücken. Der Bergrfried war ihm wohl zu niedrig.
In seinem Auftrag wurde er aufgestockt und mit der heute noch begehbaren umlaufenden Galerie versehen – sowie einer Uhr.
Eine optisch sehr gelungene Lösung, wie ich finde. Auch der Park mit seinem Landschaftsgarten und dem großen Teich entstand in dieser Zeit: Eine der schönsten Parkanlagen der Mark Brandenburg.
Die neuen kommunistischen Herren enteigneten das Schloss. Man richtete bereits am 1. Januar 1946 ein Pädagogisches Institut zur Lehrerausbildung ein, später ein Internat mit Schwerpunkt Russisch.
Die Schule schloss erst 1992. 1996 kaufte ein privater Investor die Anlage und restaurierte sie bis 2003. Heute präsentiert sich das Brandenburger Schloss 50 Kilometer südwestlich von Potsdam als eine umfassend renovierte, anspruchsvolle Wohnanlage.
Es stehen auch noch Schloss-Appartements zum Verkauf. Motto: „Leben, wo andere Urlaub machen“.
Der Innenhof ist außerhalb von öffentlichen Veranstaltungen leider verschlossen. Besucher können allerdings die Heimatstube besuchen, auf den Turm klettern und durch den ausgedehnten Garten spazieren.
Sage:
In der Nacht zum 1. Mai soll der Rennaissancebrunnen des Schlosses anfangen zu wandern. Er läuft zu einem mittelalterlichen Schachbrett, in das man einsteigen und wo man große Schätze finden kann…
Das Drei-Burgen-Land im Fläming
Schloss Wiesenburg ist eine der Burgen des so genannten Drei-Burgen-Lands im hügeligen Hohen Fläming. Die anderen beiden Anlagen sind Burg Eisenhardt und Burg Rabenstein. Man kann sich alle drei Anlagen übrigens bequem an einem Tag ansehen.
Links/Quellen: Wikipedia-Eintrag. Weitere Infos habe ich von der Tafel im Schlosspark.
Literatur: Einen 28-Seiten-Band mit dem Titel Schloss Wiesenburg hat Peter Feist in der Reihe „Der historische Ort“ des Kai Homilis-Verlags geschrieben. Er kostet 2,60 Euro.
Lage: Schloss Wiesenburg, Schlossstr. 1a, 14827 Wiesenburg
Fotos: Meine (Anklicken zum Vergrößern)