Wasserburg Heldrungen: Bürgermeister blockierte Sanierung (Archiv)



(Aktualisierung im  Mai 2013: Es gibt eine neue Entwicklung. Siehe „Wasserburg Heldrungen: Die Sanierung läuft. Der Nordflügel ist fertig„. Der folgende Text bezieht sich auf den – unschönen – Sachstand von 2008)

Sollten sich Kommunen an der – zugegebenermaßen – teuren Sanierung von Burgen beteiligen, auch wenn sie nicht deren Eigentümer sind? Diese Frage wird aktuell im thüringischen Heldrungen (Kyffhäuserkreis) heiß diskutiert.

Leider hat der Streit dazu geführt, dass die für sechs Millionen Euro geplante Sanierung der historisch bedeutsamen Wasserburg Heldrungen erstmal auf Eis liegt. Das berichtete der MDR.

Das Problem: Die Burg gehört dem Land Thüringen. Erbpächter ist das Jugendherbergswerk, das dort eine Jugendherberge mit 52 Betten betreibt. Was die Verantwortung für die Erhaltung angeht, ist die Stadt somit rein rechtlich „fein raus“.
Land und Jugendherbergswerk haben denn auch angekündigt, den Löwenanteil der sechs Millionen Euro (verteilt auf fünf Jahre) zu übernehmen. Für die Kommune, deren Aushängeschild die Wasserburg ist, blieben 300.000 Euro. Diese Summe aufzubringen, sieht der Bürgermeister laut MDR nicht ein. Im Rat der Stadt ist seine Blockade höchst umstritten.

Zur Geschichte:
Im ersten Drittel des 12. Jahrhunderts entstand auf dem Areal zunächst eine hölzerne Fluchtburg (erste Erwähnung 1126). 1190 kamen die Herren von Heldrungen auf die Idee, dass eine steinerne Burganlage doch wohl etwas dauerhafter sei. 1479 kauft Graf Ernst II. von Mansfeld die Anlage. Sie wurde für die nächsten 140 Jahren zur Stammburg eines Zweigs der gräflichen Familie von Mansfeld (siehe Wappen).

Der Mansfelder erwies sich als ausgesprochen baubegeistert. Nach der Renovierung der Burg (1501) ließ er 1512-1518 das vierflügelige Renaissance-Schloss errichten. Um seinen Reichtum zu schützen, folgte nach 1519 der Bau von zwei Festungsgürteln mit zwölf Rondellen und zwei Wassergräben. Diese mussten „seine“ Bauern ausheben.

Auch mehrere Häuser des Orts mussten den Arbeiten weichen. Ihre Steine wurden kurzerhand in den Festungsbau integriert. Es sollte sich schon bald zeigen, dass die auf den ersten Blick paranoid-übertrieben wirkende Befestigung ihre Berechtigung hatte.

Die Gegend lag wenige Jahre später im Brennpunkt des Bauernkrieges. Und auf den bauwütigen Mansfelder hatten die geschundenen Bauern einen besonderen Hass. Die örtlichen Adeligen zogen sich auf dem Höhepunkt des Aufstands auf die Festung zurück, während das von Thomas Müntzer geführte Bauernheer heranzog, das die Anlage schleifen wollte.

Die von den Adeligen erhoffte Wende kam spätestens am 15. Mai 1525 – ganz in der Nähe – mit der Schlacht bei Frankenhausen.

Den gefangenen Müntzer brachten die Söldner des Fürstenheeres für zwölf Tage auf die Festung Heldrungen, wo er gefoltert wurde. Übrigens auf Befehl eines anderen Ernst II. von Mansfeld. Hier verfasste Müntzer seine letzten Schriften. Der Bergfried heißt heute Müntzerturm. Am 27. Mai 1525 starb der Theologe im nahen Mühlhausen durch das Schwert.

In den folgenden Religionskriegen war die Festung immer wieder umkämpft. Bereits im Schmalkaldischen Krieg kam es hier 1546 und 1547 zu Gefechten. 1621, der Dreißigjährige Krieg hatte schon begonnen, kaufte Kurfürst Georg I. von Sachsen Burg und Amt Heldrungen (siehe Wappen) den verschuldeten Mansfelder Grafen ab und besetzte es mit seinen Soldaten.

1632 waren die Kaiserlichen unter Graf Jean de Merode am Zug und eroberten die Festung. 1641 kam es erneut zu Kämpfen, bei denen der Ort bis auf sechs Häuser zerstört wurde. Im Januar 1645 belagerten die Schweden die Festung und nahmen sie nach heftigem Bombardement ein.

Die Eroberer ließen die Gräben von 2000 Bauern zuschütten.

Nach den Wirren des Krieges ließ Herzog August von Sachsen von 1664 bis 1668 durch Festungsbaumeister Johann Moritz Richter moderne, sternförmige Bastionen nach dem Vauban’schen System errichten, ähnlich der Spandauer Zitadelle. Schon wenige Jahrzehnte später begann die Anlage allerdings zu verfallen.

Nach dem Wiener Kongress fiel die Wasserburg an Preußen. Die Preußen wussten nicht allzuviel mit dieser Festung mitten im Land anzufangen und gaben sie 1860 auf. 1930 begannen dann erste Sanierungs-Maßnahmen.

Die DDR rettete ab 1974 Bastionen und Festungsringe vor dem Untergang. Das dürfte vermutlich zu einem großen Teil mit dem Thomas-Müntzer-Kult im Arbeiter- und Bauernstaat zu tun haben.

Der Theologe wurde als früher Revolutionär gesehen, was an sich sicher richtig ist. Er prangte auf dem Fünf-Mark-Schein der DDR (Bild). Mühlhausen trug zwischen den siebziger Jahren und der Wende den Beinamen „Thomas Müntzer-Stadt“.

Nach 1990 folgte dann die nächste Sanierung. Heute ist vor allem das Innere der Anlage sanierungsbedürftig. Ein Zustand, durch den sich durch die Blockade des Heldrunger Bürgermeisters leider so schnell nichts ändern wird.

Mittlerweile gibt es auf dem Gelände ein Burgcafé, eine Thomas-Müntzer-Gedenkstätte und eine Jugendherberge.



Mein Kommentar:
Sich jetzt hinzustellen und zu sagen: „Soll die Kommune das bisschen doch bitte bezahlen, ist doch ein Klacks!“ wäre mir zu billig. 300.000 Euro sind für eine strukturschwache Stadt viel Geld, dafür könnte man auch X Plätze in Jugendeinrichtungen finanzieren, und und und.

Aber man muss natürlich auch die Gegenrechnung aufmachen. Mit 300.000 Euro, verteilt auf fünf Jahre, könnte die Kommune 5,7 Millionen Euro Investitionen bewegen. Die kämen auch wieder lokalen Firmen zugute, es flössen Steuern zurück.

Die Burg und die Jugendherberge sind ein Anziehungspunkt, von dem die Stadt in hohem Maße profitiert. Sich hier hinzustellen und zu sagen: Touristen ja, Sanierung nein, ist kurzsichtig. Offenbar in der Hoffnung, dass das Land „noch ein bisschen drauflegt“, verbaut der Bürgermeister der Gemeinde eine Perspektive: Nämlich Standort einer sanierten Wasserburg zu sein. Dass das Projekt am Starrsinn eines Politikers scheitert, finde ich heftig.

Vorschlag: Man sollte über Alternativen nachdenken. Eine Spendenaktion wäre eine gute Idee. Mobilisiert die Öffentlichkeit! Lasst Euch das nicht gefallen!

So machen es viele Burgen-Vereine. Und bei der nächsten Kommunalwahl kann man die politischen Verhältnisse ja sicherlich auch verändern.

Lage: Wasserburg Heldrungen, Schlossstraße 13, 06577 Heldrungen

Links: , eine nützliche Chronik findet sich bei Ein blaues Band durch Sachsen-Anhalt. Ein Beitrag mit vielen Fotos steht bei Harz-Saale.de

Bilder: Wikipedia/lizensfrei. Die Wappen (v. Mansfeld und Heldrungen) stammen ebenfalls aus Wikipedia.

Nachtrag Mai 2013: Die Sanierung des Nordflügels ist inzwischen doch noch in Angriff genommen worden. Darüber berichtet die Thüringer Allgemeine



7 Gedanken zu „Wasserburg Heldrungen: Bürgermeister blockierte Sanierung (Archiv)“

  1. Ich finde es viel zu schade, wie wenig eigentlich aus der Burg gemacht wird (auch wenn der Beitrag schon was her ist). Ich war im letzten Jahr da, es wurde ein Konzert veranstaltet und vereinzelt werden auch Burgfeste gefeiert, aber insgesamt ist diese Burg leider nicht wirklich präsent. Wie viele Burgen in Thüringen (mal ausgenommen der Wartburg vielleicht :D)
    Die Burg habe ich auch in meinem Reiseblog vorgestellt… http://www.blo-g.info/2012/11/wasserburg-heldrungen-altertum-und.html

  2. hallo!
    Herr von Ponickau hat Recht.
    Es ist immer eine Unsumme die man investieren muß um ein altes Gemäuer wieder wohnlich zu machen.

  3. An Historiker!
    Einen Kaufpreis von mehreren 100 000 Euro und Sanierungskosten,die wahrscheinlich in die Millionen gehen,würde ich nicht als Apfel und ein Ei bezeichnen.
    Wenn dann für den Investor eine kleine Wohnung in der Riesenanlage herausspringt und er damit zufrieden wäre,denke ich, dass es ein gutes Geschäft wäre – für den Ort, nicht für den Investor!!!

  4. Hallo!
    Warum bietet die Stadt die Burganlage nicht zum Verkauf an?
    Somit wäre allen geholfen und die Sanierung würde mit privaten Mitteln finanziert.
    Wenn dann im Kaufvertrag geregelt würde,das Jedermann Zutritt zur Anlage bekäme und somit der Tourismus weiterhin die Anlage nutzen könnte,haben alle beteidigten Seiten gewonnen!

  5. erst einmal gebe ich meinem vorredner 100%tig recht!! LASST ES EUCH NICHT GEFALLEN! ich habe mir diese burg angesehen und bin sehr begeistert und erschüttert zu gleich! ein wunderschönes gebäude! leider ist es wirklich sanierungsbedürftig und so können schon jetzt nicht mal alle räume besichtigt, geschweige denn bewohnt werden! wie kann man allen ernstes einen renovierungsbeitrag von 300.000€ verweigern?!?! bleibt mir nach wie vor ein rätsel! wenn die fetten geldsäcke in deutschland die taschen nicht voll genug bekommen so soll das nie das problem des ganzen volkes sein!!
    warten wir einfach noch mal 20jahre vielleicht löst sich das problem dann vonn allein, oder wie stellt der herr „auf bürgerscheisser“ sich das vor?!?!?!

  6. Vielleicht sollten sich unsere Politiker mal Gedanken machen wieso sie eigentlich gewählt werden. Ganz sicher wählen die Bürger der BRD die betreffenden Personen NICHT damit sie sich ein schönes leben auf kosten der Steuerzahler machen, sondern dafür das endlich wieder etwas für Deutschland getan wird und das in jeder Hinsicht. Wenn unsere Politiker Milliarden von Steuergeldern in irgendwelche „Sinnlich fragwürdige“ Objekte stecken, von denen man den sinn erst erfragen muss oder Milliarden Kredite irgendwelchen Ländern erlassen sollten Sie erstmal sehen das wir unser land wieder in Ordnung bringen bevor wir anderen Länder die Kohle zuschustern. Wir deutschen haben zwar ein schweres erbe hinterlassen bekommen, aber irgendwann muss Schluss sein mit den Schuldgefühlen denn wir haben selber genug Probleme die wir in den Griff bekommen müssen. Denn wie heißt es so schon „ Wo nichts mehr ist kann man auch nichts holen. Und nun zur eigentlichen Sache. Heldrungen steh endlich auf, wenn der Bürgermeister nichts für die Burg also nichts für eure Stadt tun will dann wählt ihn ab. Denn es kann nicht sein das ein einzelner Mann das wohl einer ganzen Stadt aufs spiel setzt nur um zu zeigen wie schwach er eigentlich ist. Die Burg ist ein Touristen-Magnet und davon lebt schlussendlich nicht nur der Bürgermeister.

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