Burg Vischering und das eiserne Dornen-Halsband des Ritter von Oer



Abbildung des Halsbands auf der Homepage des Münsterlandmuseums / Bild: Screenshot
Abbildung des Halsbands auf der Homepage des Münsterlandmuseums / Bild: Screenshot

Es könnte ein extravagantes Schmuckstück sein, ist aber ein perfides Folterwerkzeug. Ein zerbrochener eiserner Reif ist das Prunkstück des Münsterland-Museums auf Burg Vischering.

Hinter dem Meisterwerk eines unbekannten Nürnberger Schmieds (auf dem Screenshot unten rechts) verbirgt sich eine grausame und blutige Geschichte. Wer genau hinsieht, entdeckt in dem Band vier gebogene Stahl-Dornen, die sich unerbittlich in den Hals eines Träger bohren würden. Das haben sie auch schon einmal getan.

Rückblende
Am Sonntag, den 25. Juli 1520, schlurfte der bereits 80-jährige Ritter Lambert von Oer wie gewohnt aus der Lüdinghauser Kirche, ließ sich auf sein Pferd setzen und ritt zurück in Richtung seiner Burg Kakesbeck. Doch auf halbem Weg erwartete ihn Goddert von Harmen mit acht Kumpanen.

Die Männer überwältigten den Greis und hielten ihn fest, während Goddert ihm das 2,5 Kilogramm schwere Halsband anlegte und den Verschluss einrasten ließ. Die raffinierte Mechanik konnte nur durch einen winzigen Schlüssel geöffnet werden. Die Dornen sollten jeden Versuch einer gewaltsamen Öffnung unmöglich machen, indem sie sich ins Fleisch des ältlichen Opfers bohrten.

Die Angreifer zwangen den Ritter von Oer mit Hilfe des eisernen Rings, zu beeiden, dass er sich eine Woche später auf Haus Padberg im Sauerland zum Arrest stellen werde. Das Halsband war letzlich als Druckmittel gedacht, um den Sturkopf von Oer zum Nachgeben in einem langwierigen Erbschaftsstreit zu bewegen.

Burg Vischering: Sitz des Münsterland-Museums
Burg Vischering: Sitz des Münsterland-Museums
Der rüstige Lambert von Oer dachte allerdings nicht daran, klein beizugeben. Da der Schmied seiner Burg Kakesbeck nicht mit der komplizierten Mechanik fertig wurde, machte sich von Oer noch am gleichen Tage auf nach Münster.

Dort fand er im Waffenschmied Thiele Schwoll den richtigen Experten zur Öffnung des Marter-Werkzeugs. Beim gewaltsamen Aufbruch wurde die trickreiche Mechanik allerdings weitgehend zerstört.

Der befreite von Oer zog mitsamt dem nunmehr offenen Halsband erstmal vor den auf dem Laerbrock tagenden münsteraner Landtag, wo er wohl die Sensation der Sitzung war.

Sein Problem: Wie sollte er sich nach dem erzwungenen Eid verhalten, ohne seine Ritterehre zu verlieren? Hier gibt die Überlieferung auch einen interessanten Einblick in die Mentalität dieser „letzten Ritter“.

Die Ständeversammlung riet Oer, aus Rücksicht auf seine Gesundheit, die versprochene Haft nicht anzutreten und sich statt dessen einem Schiedsspruch zweier neutraler Fürsten zu unterwerfen. Es sollten der Bischof von Osnabrück und der Herzog von Braunschweig sein.

Nun ließ Goddert wieder von sich hören. Ohne eine Spur schlechten Gewissens beschwerte er sich beim Bischof von Osnabrück, dass der alte Oer ja wohl sein Ritterehrenwort gebrochen habe.

Der Eisenreif sei ja nur eine „Erinnerung“ gewesen, doch bitte pünktlich die Haft anzutreten.

Burg Vischering ist ein malerisches Reiseziel / Foto: Burgerbe.de
Burg Vischering ist ein malerisches Reiseziel / Foto: Burgerbe.de
Die Parteien konnten sich natürlich nicht gütlich einigen und begannen eine mörderische Fehde. Die Sitze beider Familien wurden dabei von der jeweiligen Gegenseite geplündert.

Es gab mindestens 15 Tote. Goddert führte zwischendurch 4000 Söldner gegen das Bistum Münster, das er beschuldigte, auf Seite der von Oers zu stehen.

Erst massiver Druck der Landesherren brachte die rachsüchtigen Streithähne schließlich 1528 nach dem Tode des Lambert von Oer zum Einlenken. Goddert verzichtete auf die so genannten Mecheln’schen Güter – der Erbschaft, an der sich der Streit bereits 1503 entzündet hatte – und bekam dafür von der Familie von Oer 4500 Gulden Entschädigung.

Keiner der Streitenden wurde für das angerichtete Chaos zur Rechenschaft gezogen.



Spuk & Co.:
Während Lambert von Oer seelig ruht, sollen seine drei Söhne als Geister dreier kopfloser Kälber durch die Gewölbe von Burg Kakesbeck streifen. Der Sage nach wurden sie von Halsband-Besteller Goddert von Harmen während der Fehde verflucht.

Der Bann kann nur gebrochen werden, wenn drei Jungfrauen gleichzeitig mit den Kälbern die Gewölbe betreten. Bisher hat das allerdings (aus diversen Gründen auf Seiten der Damen) nicht geklappt.

Links/Quellen:
Der Schriftsteller Peter Gallus hat mehrere Bücher zum Thema geschrieben. Der Vorfall ist historisch detailliert dokumentiert.



Mehr zu Burgen im Münsterland hier im Blog:
Das Spiegelbild von Burg Vischering
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Fotos: Screenshot von der Seite des Münsterlandmuseums / Burg Vischering von Burgerbe.de (2).



3 Gedanken zu „Burg Vischering und das eiserne Dornen-Halsband des Ritter von Oer“

  1. Seit Jahrzehnten kenne ich diese Geschichte. Mein Großvater und Großmutter (eine Verwaandte Vischerings) haben uns Kindern diese Geschichte oft erzählt. Kürzlich, bei einem Familientreffen wurde die Verwandschaft zu Vischerings und auch diese Geschichte erneut erzählt und ich habe darauf diese Webseite gefunden, da ich mich sehr für Geschichtliches und für die Herkunft meiner Familie interessiere. Schön zu sehen, das es sogar Webseiten gibt, die solch interessante Informationen beinhaltet.

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