Österreicher wollen eine Mittelalter-Burg bauen, wissen aber nicht, wer zahlen soll (Archiv-Artikel)




Burgbaustelle Guédelon: Auch ein Vorbild für Bautzen / Foto: Burgerbe.de
Burgbaustelle Guédelon: Auch ein Vorbild für Friesach
Tausend Jahre nach seiner großen Zeit erlebt der Burgenbau eine Renaissance. Nach dem Vorbild des französischen Guédelon soll in Friesach (Kärnten) mit mittelalterlichen Methoden eine neue „original mittelalterliche“ Burg entstehen. Hat der Friesacher Gemeinderat 2007 beschlossen.

Kosten: 6,7 Millionen Euro / Geschätzte Bauzeit auf der Dauer-Baustelle: 30 Jahre. Wo das Geld herkommen soll, weiß die Lokalpolitik in Kärntens ältester Stadt allerdings noch nicht so genau.

Man hofft auf Land und EU. Das meldet der Online-Dienst des ORF (der Artikel ist nicht mehr abrufbar).

Wissenschaftler der Uni Klagenfurt haben inzwischen ein Konzept vorgelegt. Einen Baugrund hat man auch schon ausgeguckt. Der gehört der Gemeinde allerdings noch nicht – und dürfte daher nun im Preis astronomisch steigen.

Ein konkreter Plan fehlt noch. Burgen hat man zwar schon, die kosten die Friesacher reichlich Geld und bringen nicht genug Touristen.

Da soll die Burg-Baustelle Abhilfe schaffen. Nach dem französischen Vorbild sollen 40 Langzeitarbeitslose in mittelalterlicher Kluft mit mittelalterlichen Werkzeugen die Burg aus Stein und Holz errichten, schwärmt der örtliche Tourismusstadtrat.

Das Projekt solle eine Art permanente Landesausstellung werden, so das Uni-Konzept. Die angehenden Burgbauherren hoffen, die Baukosten nach einigen Jahren bereits über die Eintrittsgelder zu finanzieren. Start soll im Mai oder Juni 2008 sein. 2015 – rechtzeitig zur 800-Jahr-Feier des Ortes – sollten bereits Teile des Baus erkennbar sein.

Übrigens gibt es mittlerweile auch im baden-württembergischen Reutlingen eine Initiative „Die neue Burg“, die eine hochmittelalterliche Höhenburg nachbauen möchte und noch Mitglieder sucht. Und auch in Bautzen ist der Bau einer Burg als Arbeitsbeschaffungsprojekt geplant, aber zurzeit aufgeschoben.



Guedelon: Der Bergfried entsteht
Guedelon: Der Bergfried entsteht

Meine Meinung:
Wer so ein Mammut-Projekt ohne konkreten Plan, ohne Grundstück und ohne feste Finanzierung(!) ausruft, beweist eine gehörige Portion Dilettantismus und geht ein hohes Risiko ein.

Das französische Projekt ist ja auch deshalb so bekannt, weil schon Ansätze der Burg erkennbar sind und weil es das erste seiner Art ist.

Etwas Vergleichbares so einfach in Kärnten aus dem Boden zu stampfen wird nicht so leicht sein, wie sich das die Lokalpolitik mit ihrem stolzgeschwellten „Wir wollen auch eine Burg!“-Ruf vorstellen mag.

Zudem sehe ich das Risiko, dass den echten Burgen der Region der Geldhahn zugedreht wird, und dass historische Bausubstanz am Ende leidet.

Die Friesacher laufen Gefahr, sich grandios lächerlich zu machen oder sich nach Abschluss ihrer 800-Jahr-Feier eine pseudo-mittelalterliche Ruine einzuhandeln.

Liebe Friesacher, denkt doch bitte nochmal darüber nach, was Ihr euch da vorgenommen habt!

Update (12.12.2007): Laut ORF-Online unterstützt Landeshauptmann Jörg Haider das Projekt. Der Rechtspopulist möchte ein Drittel der Baukosten aus EU-Mitteln finanziert sehen, 1/3 vom Land und 1/3 von der Gemeinde. Mal schauen, was die EU von diesen Plänen hält…

Update (16.3.2009): Am 2. Mai 2009 geht’s los: Siehe dazu den entsprechenden Burgerbe-Artikel.

Update 2013: Das Burgenbauprojekt Friesach läuft. Es gibt immer mal wieder Ärger, aber es wird gebaut. Mehr auf der Burg-Friesach-Homepage.

Fotos: Burgerbe.de

Quellen: ORF-Online (Link inzwischen offline) und Die Presse: „Arbeitslose bauen eine Burg“




6 Gedanken zu „Österreicher wollen eine Mittelalter-Burg bauen, wissen aber nicht, wer zahlen soll (Archiv-Artikel)“

  1. Wenn die Grundstückspreise schon steigen, weil sie es noch nicht gekauft haben, dann finden das scheinbar nicht nur die Initiatoren vielversprechend. Aber bauen wollen ohne Grundstück…was verstehen denn die Handwerker von mittelalterlichem Burgenbau? Da müssen auch erst mal super Begeisterte Hobbybastler her oder ein Lehrgan für die anderen Arbeitslosen. Aber warum nicht, in Frankreich baut einer alleine immer noch an seiner Kathedrale. Und was DER bis jetzt geleistet hat, wahnsinn!

  2. Für Dulcinea

    Will ein Uni-Prof. mal thronen,
    und sich das touristisch lohnen,
    muß ne Burgenbaustell her,
    anders wär es viel zu schwer.

    Gibt es dafür dort kein Gold,
    wird es anderswoher g’holt:
    Aus des Bürgers Steuersack,
    denn den drückt sonst keine Plag.

    Arbeitslose sonder Zahl,
    nehmen auf sich jede Qual,
    statt im Beisl Bier zu schlucken,
    müssen’s in die Hände spucken.

    Melden sie sich aber krank,
    kommen’s dann auf die Streckbank,
    nach ein bisserl scharfer Folter,
    weiter geht’s mit Holter-Polter.

    Ja, so kann das Werk gelingen,
    und beim Schuften soll’n sie singen,
    im vielchörigen Choral –
    haben sonst ja keine Wahl:

    Schön ist es ne Burg zu bau’n,
    schöner noch ist’s zuzuschauen.
    Geld kommt dann herein ins Land
    wo erst Burg, und dann Verstand.

    Konrad Fischer
    Troubadur

  3. Sollen lieber mir das Geld geben.
    Ein Burgbauprojekt fänd ich schon wichtig, da ich auch eine Chance sehe, für alte Substanzen. Es gibt nämlich Millionen von Mittelalterfans die aber keinen Funken Interesse an Burgen haben, diese wären aber von so einer Burg begeistert, weil sie eben genau das sehen wollen. Leute die in Mittelalterkluft schuften. Würden diese dann jetzt noch speziell auf das Thema Burg aufmerksam gemacht, habe ich die Hoffnung, dass die nach Hause gehen und denken:“Burgen sind cool. Wo gibt es das bei mir…“

    Dann wäre der erste Schritt getan!

  4. Die Millionen, die ggf. als Subvention diesem möglichen Projekt beigesteuert werden, sollten meiner Meinung nach nur zum Erhalt historischer Bausubstanz ausgeben werden!

    Wir haben in Europa Guedelon.com, brauchen wir einen Neubau in Österreich??? Ich meine nein.

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