Schloss Schnaditz zwangsgeräumt: Verkauf für 1 Euro rückgängig gemacht



Ostseite von Schloss Schnaditz / Foto: Wikipedia / Tnemtsoni / CC-BY-SA 3.0 / Foto oben: Wikipedia / Radler 59 / CC-BY-SA 3.0
Ostseite von Schloss Schnaditz / Foto: Wikipedia / Tnemtsoni / CC-BY-SA 3.0 / Foto oben: Wikipedia / Radler 59 / CC-BY-SA 3.0

Aus der Traum von den Dollar-Millionen für Schloss Schnaditz: Mit Unterstützung der Polizei hat die nordsächsische Stadt Bad Düben das Gebäude frühmorgens geräumt und die Schlösser austauschen lassen.

Die hochfliegenden Pläne einer deutsch-amerikanischen Investorengruppe, die das Schloss 2014 für einen Euro gekauft hatte, sind damit beendet.

Das Schloss ist nach der Rückübertragung nun wieder im Besitz der Kommune. Das berichtete die Leipziger Volkszeitung (LVZ).

Zwei Termine für einen freiwilligen Auszug hatten die von den Investoren gegründete Schloss Schnaditz GmbH laut LVZ verstreichen lassen. Zwei Bewohner, Mutter und Sohn, räumten das Schloss am Ende beim Erscheinen der Polizei ohne Widerstand.

Die Stadt will nun erneut einen solventen Käufer für das verfallende Schloss suchen, der tatsächlich in die Sanierung investiert.

Schloss sollte Wohnanlage werden

Die sechs Investoren hatten geplant, das Schloss mit dem prägnanten Wehrturm zu einer schicken Wohnanlage mit 28 Appartements und einem Restaurant zu machen. Oder einem Hotel.

Südseite von Schloss Schnaditz / Foto: Wikipedia / Heidebiber / CC-BY-SA 4.0
Südseite von Schloss Schnaditz / Foto: Wikipedia / Heidebiber / CC-BY-SA 4.0

Dafür wollten sie rund 3,9 Millionen Euro aufbringen. Sie rechneten mit einer 30-prozentigen Förderung durch das Land Sachsen. Tatsächlich bekamen sie allerdings lediglich 100.000 Euro für das Grundstück und den symbolischen Kaufpreis von einem Euro für das Schloss aufbringen.

Die Stadt hatte im Kaufvertrag weder eine konkrete Sanierungssumme festgeschrieben noch einen Zeitplan vorgegeben (in einer früheren Version hatte ich geschrieben, die 3,9 Millionen Euro seien Vertragsbestandteil gewesen: Das stimmt nicht).

Es ging auch hoffnungsvoll los: Die nötige Baugenehmigung hatte der Investor im Herbst 2015 bekommen. Mitte März teilte die Schloss Schnaditz GmbH der Stadt mit, dass das Schloss schrittweise saniert werde. Die Stadt akzeptierte das.

Rückübertragung und Zwangsräumung

Als sich in der Folge abzeichnete, dass in Sachen Sanierung nichts passierte, lockerte die Kommune zunächst die Bedingungen – und setzte schließlich die Rückübertragung und am Ende die Zwangsräumung per Gerichtsvollzieher durch.

Zwischendurch hatte der Sturm Friederike am 18. Januar 2018 Schäden am Dach angerichtet.



Die Investoren hatten gegenüber der Zeitung angegeben, rund 400.000 Euro in die Anlage investiert zu haben. Laut Stadt liegen jedoch keine Belege für Sanierungsarbeiten vor.

Beim ersten Blick ins Schloss zeigte sich, dass die Investoren provisorische Einbauten vorgenommen hatten, um Räume selbst als Wohnung nutzen zu können. Die Stadt will nun selbst mit Sicherungsmaßnahmen beginnen.

Die LVZ verlinkte auf Twitter (Screenshot).
Die LVZ verlinkte auf Twitter (Screenshot).
Zur Geschichte

Das Schloss geht auf eine Wasserburg zurück, die um 1237 im Sumpf des Flüsschens Mulde errichtet wurde. Schlossbesitzer waren so namhafte Familien wie die von Bülow, von Steuben, von Einsiedel und die Junker von Zaschnitz.

Letzterem hat Heinrich von Kleist in seinem „Michael Kohlhaas“ ein eher unrühmliches literarisches Denkmal gesetzt. Es basiert auf einer tatsächlichen Begebenheit.

Gefolgsleute des Schnaditzer Schlossbesitzers aus der Familie Zaschnitz/Zaschwitz hatten 1532 ganz in der Nähe zwei Pferde des historischen Händlers Michael Kohlhase beschlagnahmt, mit der falschen Begründung, diese seien Diebesgut.



Kohlhase klagte gegen den Raub. Der Junker auf Schnaditz beharrte darauf, im Recht zu sein, woraufin Kohlhase ihm und schließlich ganz Sachsen den Krieg erklärte.

Kleist nutzte die Geschichte der beiden Dickschädel als Rahmenhandlung für seinen Bestseller – aus von Zaschnitz machte er den „Wenzel von Tronka“. Schloss Schnadnitz wurde zu dessen „Tronkaburg“. Die ließ der fiktive Kohlhaas im Roman rachsüchtig in Flammen aufgehen.

Das feurige Schicksal blieb dem realen Schloss erspart. Die Besitzer machten ihr Geld dann auch nicht durch Pferdeklau, sondern durch die Destillation von Hochprozentigem, der von der trinkfreudigen Landbevölkerung gern abgenommen wurde.

Von 1792 bis 1940 war das Schloss im Besitz der Beamtenfamilie Martini.

Wollte Hitler stürzen: Abwehroffizier Hans Oster / Foto: Wikipedia / Bundesarchiv / CC-BY-SA 3.0
Wollte Hitler stürzen: Abwehroffizier Hans Oster / Foto: Wikipedia / Bundesarchiv / CC-BY-SA 3.0

Das wurde im Zweiten Weltkrieg wichtig, denn Walter Martini war der Ehemann von Marie Oster: Der Schwester des hohen Abwehroffiziers Hans Oster, einem der führenden Köpfe des militärischen Widerstands um den Grafen Staufenberg. Die Familie wohnte auf dem Schloss.

Oster war nach dem gescheiterten Bombenattentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 nach Schnaditz geflüchtet. Hier wurde er am nächsten Tag verhaftet. Die Nazis ermordeten ihn im April 1945 im KZ Flossenbürg.

Der letzte Besitzer des Ritterguts, (seit 1940) Dr. Erich Wendenburg, wurde 1945 von der sowjetischen Besatzungsmacht enteignet. Das Schloss wurde Flüchtlingsunterkunft, Gemeindeverwaltung und DDR-Kita – und rottete vor sich hin. Nach der Wende beschleunigte sich der Niedergang.

Amerikanerin hörte vom Schloss

Zufälligerweise lernte dann eine US-Amerikanerin – auf der Suche nach einem kleinen historischen Anwesen – einen Bad Dübener kennen. Der schwärmte vom Schloss mit seinem 29 Meter hohen einstigen Wehrturm.

Schließlich tat sich die Amerikanerin mit mehreren Einheimischen zusammen, um Schloss Schnaditz zu sanieren und auszubauen. Auch ein kleines Museum war geplant, das an Generalmajor Hans Oster erinnern sollte.

Dieser Plan brachte am Ende fast fünf verlorene Jahre für Schloss Schnaditz.

Raoul Allendorf filmte das Schloss 2017:

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Kathrin Kabelitz und Steffen Brost schreiben in der Leipziger Volkszeitung: „Zwangsräumung: Schloss Schnaditz wieder im Besitz von Bad Düben“ (Link zum Artikel)
Zur Vorgeschichte berichtet Kathrin Kabelitz in der LVZ: „Teure Maßnahme: Gerichtsvollzieher soll Schloss zwangsräumen“ (Link zum Artikel)
Ein von der LVZ kolportiertes Gerücht, es gebe bereits einen neuen Interessenten, hat die Stadt im Januar 2019 zurückgewiesen.