Saarbrücker Schloss: Wiederaufbau-Plan stresste die Stasi




Das Saarbrücker Schloss wie es 1748 bis zum Brand 1793 aussah / Bild: gemeinfrei /  Foto oben: Flicka / CC-BY-SA 3.0
Das Saarbrücker Schloss wie es 1748 bis zum Brand 1793 aussah / Bild: gemeinfrei / Foto oben: Flicka / CC-BY-SA 3.0
Im November 1989 fiel die Berliner Mauer – im selben Jahr wurde der (ziemlich gewöhnungsbedürftige) Mittelbau des Saarbrücker Schlosses wieder errichtet. Zwei Ereignisse, die auf eigenartige Weise miteinander verknüpft sind.

Beides wurde erst durch die „Wandel durch Annäherung“-Politik der Brandt-Jahre möglich – und in beiden Fällen hat ein Missverständnis eine bedeutende Rolle gespielt.

Zur Vorgeschichte: 1748 war die Welt an der Saar noch in Ordnung. Wilhelm Heinrich von Nassau-Usingen freute sich über ein nagelneues, höchst repräsentatives Schloss. Hofarchitekt Friedrich Joachim Stengel aus Zerbst hatte ganze Arbeit geleistet.

Zitat aus Wikipedia: „Dem Corps de Logis mit Mittelpavillon waren an seinen Enden im rechten Winkel zwei gleich lange Flügel angegliedert, die sich um einen Ehrenhof gruppierten (…). Dieser hufeisenförmig angeordnete Flügelbau war an seinen Ecken durch vier Pavillons betont, die an die Verteidigungstürme der Stadtburg erinnerten“.

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Das Saarbrücker Schloss um 1770. / Bild: gemeinfrei
Für Architekt Stengel sollte sich die Arbeit doppelt auszahlen. Er wurde nach Einstreichen seines Honorars vom Hof in Anhalt-Zerbst engagiert, um dort Schloss Dornburg nach Saarbrücker Vorbild aufzubauen. Natürlich auch mit prächtigem Mittelbau.

In Saarbrücken hoffte derweil der regierende Fürst, friedlichen und aufgeklärten Zeiten entgegenzusehen und mit seinen adeligen Standesgenossen im prächtigen Barockpalast opulente Feste zu zelebrieren. Das ging auch ein halbes Jahrhundert lang gut.

Dann kamen die Wirren der Französischen Revolution. 1793 marschierten revolutionäre Truppen aus Frankreich ein. Das Saarbrücker Schloss ging dabei teilweise in Flammen auf.



Schloss Dornburg - ein ähnlicher Bau wie das Saarbrücker Schloss, nur ockergelb / Foto: gemeinfrei
Schloss Dornburg – ein ähnlicher Bau wie das Saarbrücker Schloss, nur ockergelb / Foto: gemeinfrei
Die Seitenflügel wurden zwar wieder aufgebaut, jedoch nicht der Mittelbau. Dessen Reste wurden abgebrochen.

An Wiederaufbau dachte man erst 1872. Das Saarbrücker Schloss gehörte zu diesem Zeitpunkt dem Industriebaron Carl Ferdinand von Stumm-Halberg.

Dieser ließ die Baulücke durch einen Saalbau schließen, der allerdings viel niedriger ausfiel, als das ursprüngliche Gebäude aus der Phase von Architekt Stengel.

Im Zweiten Weltkrieg erhielt das Schloss mehrere Bombentreffer. Es war in so schlechtem Zustand, dass die auf großflächige Parkplätze und Stahlbeton-Neubauten fixierten Politiker der Wiederaufbaujahre mehrfach den Abriss des „alten Kastens“ ins Gespräch brachten.

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Das Saarbrücker Schloss heute / Foto: Felix König / CC-BY-SA 3.0
Erst Ende der 1970er Jahre rettete der Stadtverband Saarbrücken das Schloss (nicht ganz uneigennützig, die Beamten des kommunalen Verbands residierten hier schließlich selber). Der Verband entschied sich für einen modern gestalteten Mittelpavillon in den Maßen des alten Stengel-Baus.

Nun stand man allerdings vor dem Problem, dass nur noch einige Gemälde des alten Saarbrücker Schlosses existierten, aber keine Pläne mehr mit den Größenangaben.

Doch Stengel hatte ein höchst ähnliches Gebäude errichtet: Nämlich den Mittelbau des Dornburger Schlosses an der Elbe. Dummerweise lag dieses südlich von Magdeburg in der DDR und da auch noch hinter Stacheldraht in einem Sperrgebiet.

Die Sicherung hatte ihren guten Grund: Im Schloss bewahrte das SED-Regime die Kartei der ehemaligen Wehrmachtsangehörigen auf – eine unerhört wichtige Quelle an personenbezogenen Daten (und Erpressungsmaterial, was man eben so brauchte).

Der Saarbrücker Stadtverband wendete sich daraufhin an den einzigen Saarländer an der DDR-Staatsspitze: den Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker. Im Zuge dieser Bemühungen ließ 1977 auch Erich Voltmer, damals stellvertretender Chefredakteur der Saarbrücker Zeitung seine Beziehungen spielen. Er kannte Honecker noch aus der Zeit vor dessen Parteikarriere.

Voltmer bot ein Interview an – und fragte, ob Schloss Dornburg denn besichtigt und vermessen werden dürfe. Honecker erkundigte sich kurz bei seinem Referenten und gab dann Grünes Licht, schließlich waren die „Dornburger Schlösser“ auch in der DDR ein beliebtes Touristenziel. Doch daswar ein Missverständnis.

Schloss Dornburg mit seinem Wehrmachtsarchiv hat nur den Namen mit den Thüringer Schlössern gemein. Doch Honecker wollte sein einmal gegebenes Versprechen wegen einiger Akten und scharfer Hunde nicht zurücknehmen.

Das dürfte der örtlichen SED-Bezirksleitung und ihren Stasi-Kollegen einiges an Kopfzerbrechen bereitet haben: Der Klassenfeind mit 60 potentiellen Agenten in einem Geheimobjekt des Arbeiter- und Bauernstaates – unerhört.

Eilig bauten Soldaten des DDR-Wachregiments einen Stacheldrahtzaun und die Hundelaufanlage ab. Die geheimsten der Akten wurden versteckt. Dann durften die Westdeutschen kommen, messen und Filmen.

Gewöhnungsbedürftig: Der 1989 eröffnete, neu gestaltete Mittelbau / Foto: Wolfgang Staudt / CC-BY-SA 2.0
Gewöhnungsbedürftig: Der 1989 eröffnete, neu gestaltete Mittelbau / Foto: Wolfgang Staudt / CC-BY-SA 2.0
Ein Beitrag über den Besuch im DDR-Fürstenschloss lief sogar in der Tagesschau. Honecker hatte seinen Propaganda-Erfolg und der Saarbrücker Stadtverband die Baudaten.

Angeblich flossen die Höhen- und Tiefen-Angaben tatsächlich in den Glas-Stahl-Neubau ein, den Architekt Gottfried Böhm für das Saarbrücker Schloss entworfen hatte. Optisch hat er sonst nicht das Geringste mit dem historischen Vorbild zu tun, die spiegelnde Fassade weist eher Ähnlichkeiten mit dem Ostberliner Palast der Republik auf.

Der Wiederaufbau zog sich hin – erst 1989 wurde er fertig. Saarländer Honecker fand keine Gelegenheit mehr, den durch seine Kooperation entstandenen Bau besichtigen…

Heute dient das Schloss als Verwaltungssitz des Regionalverbands Saarbrücken. Im Gewölbekeller und einem Anbau liegen die Ausstellungsräume des Historischen Museums Saar.

Weiterlesen:
Quelle für die Darstellung der DDR-Episode war die Website von Stefan Schüler mit ihrer ausführlichen Darstellung der Schlossgeschichte (leider 2022 nicht mehr online).


Ein Gedanke zu „Saarbrücker Schloss: Wiederaufbau-Plan stresste die Stasi“

  1. Letztendlich gingen die Genossen doch klüger mit dem Erbe um als die Saarbrücker Beamten. Unser Schloss ist totsaniert. Das wird besonders deutlich, wenn man es mit dem Foto des Schwesterbaus (Kopie finde ich hier unangebracht) vergleicht.

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