Schloss Ulenburg: Jesidisches Studienzentrum geplant




Schloss Ulenburg / Bild: gemeinfrei
Jesiden kaufen Schloss Ulenburg in Löhne / Bild: gemeinfrei

Die Bilder der von der IS-Terrormiliz im Sindschar-Gebirge belagerten Jesiden gingen um die Welt – und lösten eine Welle der Solidarität mit der Religionsgemeinschaft aus.

Jesiden versuchen auch von Deutschland aus ihren Landsleuten zu helfen. Kristallisationspunkt der Aktionen soll jetzt Schloss Ulenburg in Löhne in Westfalen-Lippe werden. Die „Gesellschaft Ezidischer AkademikerInnen“ (GEA) hat das Schloss gerade gekauft, meldet das „Westfalen-Blatt“. Die Höhe des Kaufpreises ist nicht bekannt.

Gartenseite von Schloss Ulenburg / Foto: Wikipedoa / Intertorsten / CC-BY-SA 3.0
Gartenseite von Schloss Ulenburg / Foto: Wikipedoa / Intertorsten / CC-BY-SA 3.0

„Wir wollen Schloss Ulenburg als Zentrum für ezidische Studien und Sitz des europäischen und des deutschen Zentralverbands der ezidischen Gemeinden nutzen“, berichtet Ibrahim Kus, Vorstandsmitglied der GEA.

Bereits im Spätsommer soll das Zentrum mit einem Bürgerfest eröffnet werden. Auch der jesidische TV-Sender Cira TV (zurzeit noch in Bielefeld) soll dann dort ein Sendestudio bekommen.

Die Gruppe betont, dass sie sich „Für eine demokratische, offene und tolerante Gesellschaft in aller Welt“ einsetzt. Geplant ist die Gründung einer jesidischen Stiftung, der das Schloss dann gehören soll.

Die GEA engagiert sich bei der Aktion „Hilfe für Kriegskinder im Nordirak“, kauft zum Beispiel von Spendengeldern Babynahrung für Flüchtlingskinder und organisiert den Transport in die Türkei. In Vorträgen im Ruhrgebiet und in Westfalen informieren Mitglieder über die kulturelle Identität der Jesiden. Die Ländereien sind von dem Besitzerwechsel nicht betroffen.



Schloss Ulenburg im 19. Jahrhundert, noch vor der Aufstockung des Turms / Foto: Sammlung Duncker / gemeinfrei
Schloss Ulenburg im 19. Jahrhundert, noch vor der Aufstockung des Turms / Foto: Sammlung Duncker / gemeinfrei

Das Schloss hat eine lange Geschichte: 1299 wird an diesem Ort erstmals ein Wasserschloss erwähnt. Daraus machte Ritter Hilmar von Quernheim im 16. Jahrhundert ein Schloss im Stil der Weserrenaissance.

Stark verändert wurde das Schloss beim Ausbau zwischen 1902 und 1912 unter dem Mindener Regierungspräsidenten Georg von Borries. Er ließ etwa den Treppenturm erhöhen.

1962 folgte eine Restaurierung. 1927 hatte die Heil- und Pflegeanstalt Wittekindshof das Schloss gekauft. Bis 2008 betrieb sie im Schloss eine Pflegeeinrichtung zur Betreuung geistig Behinderter. Die Diakonische Stiftung Wittekindshof suchte schließlich per Makler einen Käufer.

„Von außen werden wir das Schloss nicht verändern. Auch der Rittersaal bleibt erhalten. Er ist wunderschön! Im Erdgeschoss werden wir Zwischenwände entfernen, um einen größeren Konferenzsaal zu schaffen. Im zweiten Obergeschoss bleibt die Raumgestaltung weitgehend erhalten. Wir wollen die früheren Bewohnerzimmer als Gästezimmer für das Studienzentrum nutzen“, berichtet Kus.

Tausende Jesiden, Kurden und Allawiten demonstrierten im August 2014 gegen des Terror des "Islamischen Staates" in Irak und Syrien / Foto: Wikipedia / Bernd Schwabe in Hannover / CC-BY-SA 3.0
Tausende Jesiden, Kurden und Allawiten demonstrierten im August 2014 gegen des Terror des „Islamischen Staates“ in Irak und Syrien / Foto: Wikipedia / Bernd Schwabe in Hannover / CC-BY-SA 3.0

Beim Schlosspark plädiert Kus für eine offene Lösung: „Wir wollen keine Mauern um das Schloss und suchen den Kontakt zu Nachbarn, der Löhner Bevölkerung und Mitgliedern verschiedener Religionen und Kulturen.“

Gut vorstellen kann sich Kus, dass im Schlosspark auch wieder Kulturveranstaltungen und Gottesdienste stattfinden. „Wenn unser Park ein Park für alle wird, brauchen wir Unterstützung beim Unterhalt. Gäste sind bei uns auf jeden Fall herzlich willkommen, auch im Café, das wir im Schloss planen.“

Mit der Aussage dürften die Jesiden offene Türen beim Freundeskreis Schloss Ulenburg einrennen, der sich seit 40 Jahren um das Schloss kümmert (Nachtrag: Der Freundeskreis hat sich inzwischen aufgelöst).

Äußerst verstimmt hatten die Schlossfreunde zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Diakonische Stiftung Wittekindshof, das Betreten des Schlossgeländes im Jahr 2010 verboten hat.

Schloss Ulenburg schreibt sich übrigens wirklich ohne „h“. Eine „Uhlenburg“ hat es zwar auch gegeben, die lag aber weiter nordöstlich, bei Essel im heutigen Niedersachsen. Diese Uhlenburg der Herren von Hademstorf wurde bereits 1394 zerstört.

Erhalten sind nur Reste im Boden, die erstmal nicht weiter ausgegraben werden und als „archöologische Reserve“ für spätere Jahre dienen (Quelle: Uhlenburg bei Wikipedia).




Weiterlesen:
Hier geht es zum Artikel von Malte Samtenschnieder im „Westfalen-Blatt“: „Jesiden kaufen Schloss Ulenburg
Der Autor hat das Thema nochmal vertieft: „Schloss Ulenburg: Ort des kulturellen Austauschs
Die Stiftung Wittekindshof hat zu dem Thema eine ausführliche Presseinformation abgegeben: „Ulenburg wird Zentrum für ezidische Studien“ (nicht mehr online verfügbar)

Hier geht es zur Seite der „Gesellschaft Ezidischer Akademiker„, hier zu ihrer Facebookseite.