Wieso sind die Mumien von Schloss Sommersdorf so gut erhalten?

Schloss Sommersdorf in Franken ist bekannt für die Mumien in seiner Gruft / Foto: Wikipedia / Reinhardhauke / CC-BY-SA 3.0 / Foto oben: Tilman2007 / CC-BY-SA 3.0
Schloss Sommersdorf in Franken ist bekannt für die Mumien in seiner Gruft / Foto: Wikipedia / Reinhardhauke / CC-BY-SA 3.0 / Foto oben: Tilman2007 / CC-BY-SA 3.0

Die Geschichte beginnt mit einem Verfolgungsritt über herbstliche Stoppelfelder. Als französische Soldaten 1806 in Franken auf dem Vormarsch nach Osten sind, erspähen sie in der Ferne einen preußischen Offizier zu Pferd.

Ihnen war klar: Das kann nur ein Spion aus Berlin sein, der die Route von Napoleons Truppen auskundschaften will. Sie nahmen die Verfolgung auf, die sie zu einer alten Burg nahe Nürnberg führte: Schloss Sommersdorf.

Auf den ersten Blick war in der nichts vom mutmaßlichen Hohenzollern-Spion zu sehen. Also suchten sie genauer und stießen dabei auch in die Gruft vor.

Weil so ein Preuße im Besitz von Militärgeheimnissen schließlich überall stecken kann, schreckten sie auch nicht davor zurück, die an beiden Seiten des Raums stehenden Särge zu öffnen.





Was sie dann im Funzellicht erblickt haben, dürfte die Soldaten ihrer Majestät gehörig erschreckt haben: Die fünf erwachsenen Toten sahen nämlich noch weitgehend so aus, als habe man sie gerade in ihre Särge gelegt. Die fränkischen Verblichenen dachten gar nicht daran, zu verwesen.

Letzte Ruhe in der Familiengruft

Hintergrund ist, dass sich das Schloss seit nunmehr 470 Jahren (Stand 2020) im Besitz der Familie von Crailsheim befindet. Und als gute Christen erhielten die verstorbenen Schlossherren und -Damen sowie einige Gäste ihre letzte Ruhestätte in der eigenen Gruft.

Auch Spiegel-Online berichtete über die Mumien-Gruft von Schloss Sommersdorf... Foto: Screenshot
Auch Spiegel-Online berichtete über die Mumien-Gruft von Schloss Sommersdorf und Frau v. Kniestätts Schicksal… Foto: Screenshot

Die Franzosen fanden auf ihrer Suche nach dem Spion unter anderem den schwedischen Obristen Ritter von Holz, einen Verwandten der Crailsheims, der seit dem Dreißigjährigen Krieg in voller Uniform im schweren Eichensarg ruhte.

Plünderer hatten ihm bald nach Schließung des Sarges den Uniformrock gestohlen. Heute trägt er nur noch seine schweren ledernen Reiterstiefel.

Beim Blick auf die Mumie der Sophie Luise von Kniestätt (verstorben 1690) dürften auch hartgesottenen Kriegsknechte kurzzeitig der Appetit auf die nächsten Horsd’œuvres vergangen sein.



Die im Alter von 42 Jahren im Wochenbett verschiedene, heute ziemlich ledrige Dame hat die Hände nämlich nicht brav gefaltet oder lang ausgestreckt, sondern die Arme seltsam verkrampft angewinkelt:
Ihre Finger haben sich tief ins eigene Fleisch gebohrt. Auch die Zehen sind gekrümmt. Ihr Gesicht wirkt verzerrt. Einheimische nennen sie „Die lebendig Begrabene“.

Noch lebend in den Sarg gelegt?

Seit Jahrzehnten wird nun schon darüber gerätselt, ob Frau von Kniestätt wirklich tot war, als sie in den Sarg gelegt wurde. Oder ist sie im Behältnis erwacht, in der verschlossenen Gruft aber von niemandem gehört worden und elendig in der Dunkelheit gestorben? Neben ihr fand sich noch eine Kindermumie ohne Kopf. Echt Gruselig.

Die Füße des Ritters von Holz stecken noch in seinen Reiterstiefeln / Foto: Terra X / Screenshot Youtube
Die Füße des Ritters von Holz stecken noch in seinen schweren Reiterstiefeln / Foto: Terra X/Screenshot Youtube

Auch der gute Erhaltungszustand der Mumien gab Anlass zu allerlei Hypothesen (natürliche Radioaktivität, ein Fluch?).

Zumindest die Erklärung für die Mumifizierung ist einfach. Die Gruft liegt nicht in irgendeinem feucht-muffigen Keller, sondern in einem ehemaligen Wehrgang der Burg. Diesen hatte man im 17. Jahrhundert als Begräbnisstätte zweckentfremdet. Für ständige Luftzirkulation ist gesorgt, so dass die Toten schnell austrockneten.

Was Frau von Kniestätt angeht, hat Schlossherr Manfred von Crailshaim, ein Mediziner, der „Zeit“ seine ganz eigene Theorie verraten. Er vermutet, dass die Adelige im Wundstarrkrampf gestorben ist und so auch bestattet wurde.

Schloss Sommersdorf: Wo Mumifizierung besonders gut klappt / Foto: Wikipedia / Tilman2007 / CC-BY-SA 3.0
Schloss Sommersdorf: Wo Mumifizierung besonders gut klappt / Foto: Wikipedia / Tilman2007 / CC-BY-SA 3.0
Eventuell habe einsetzender Frost ihre Leiche schnell „tiefgefroren“ und so die Totenstarre verlängert und die Angehörigen daran gehindert, sie „sachgerecht“ in den Sarg zu legen.

Die Mumien-Gruft ist jedenfalls auch noch immer wieder interessant für Wissenschaftler. Auf dem Schloss aus dem späten 14. Jahrhundert kann man derweil Appartements mieten.

Weiterlesen:
Urs Willmann beschäftigte sich 2010 in einem Zeit-Artikel mit den Verstorbenen von Schloss Sommersdorf: „Mumienforschung: Die Unverwesten“
Hendrik Behrendt berichtet bei Spiegel-Online über „Konservierte Körper: Rätsel um Kindermumie auf Schloss Sommersdorf
Die Seite Reiserat.de schreibt über „Die Mumien in der Familiengruft

Es gibt sogar einen Film über die Gruft. Hier die Szene, in der die Franzosen hinter dem preußischen Spion her sind und auf die Särge stoßen:



Ein Gedanke zu „Wieso sind die Mumien von Schloss Sommersdorf so gut erhalten?“

  1. Die kopflose Kindermumie in Sommersdorf wird dort seit vielen Jahrzehnten ganz einfach wie folgt erklärt: Einfache Leute auf dem Dorf hatten früher natürlich kein Geld für Spielzeug. Von größeren Kindern wurden kleinere angestiftet durch die schalen Fenster in die Gruft zu den Mumien zu klettern. Man hat die Kindermumie damals als eine Puppe betrachtet und bei manchmal etwas rauhen Kinderspielen ist halt mal der Kopf abgebrochen und verloren gegangen.

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