Blutflecken in Burgen: Mythen und Mordsgeschichten

Beim Roman „Das Gespenst von Canterville“ spielt ein Blutfleck neben dem Kamin eine wichtige Rolle / Bilder: KI
Der Geist von Canterville hatte es nicht leicht: Zu seinen Pflichten als verfluchtes Gespenst gehörte es, einen „unauslöschlichen Blutfleck“ zu pflegen.

Und zwar just an der Stelle neben dem Kamin, wo der blaublütige Brite 1575 seine Gattin Lady Eleanore von Canterville gemäuchelt hatte.

Zum Entsetzen des jahrhundertealten Gespenstes rücken die neuen Schlossbesitzer aus den USA der dunkelroten Hinterlassenschaft wiederholt und äußerst erfolgreich mit „Pinkertons Qualitäts-Fleckenentferner“ zu Leibe.

Gespenst muss improvisieren

Die Tinktur kam so lange zum Einsatz, bis die Blutvorräte der geplagten Para-Existenz versiegten. Der Geist griff daraufhin notgedrungen auf den Malkasten der Tochter des Hausherrn zurück, den er bis zu den Grüntönen hin plünderte, um den Fleck immer wieder aufzufrischen.

Oscar Wildes Geschichte um den liebenswerten Sir Simon schlägt hier einen Bogen in die Realität, denn sagenhafte Flecken auf Burgen mit den passenden Gruselgeschichten dazu gibt es wirklich.

Und das ziemlich zahlreich. Sie folgen ähnlichen Mustern: Es geht entweder um einen ungesühnten Mord oder den Teufel. Oder um beides.

Manche „Blutflecke“ wurden sogar daraufhin untersucht, wodurch sie hervorgerufen wurden…

Ein Fleck auf der Wartburg

Lutherstube auf der Wartburg: Keine Spur mehr vom berühmten Tintenfleck / Foto: Alexander Hauk / www.bayernnachrichten.de
Lutherstube auf der Wartburg: Keine Spur mehr vom berühmten Tintenfleck / Foto: Alexander Hauk / www.bayernnachrichten.de

Die bekannteste mystische Zimmerverunreinigung ist natürlich „Luthers Tintenfleck“. Der Sage nach wurde der Reformator während der Zeit der Bibelübersetzung auf der Wartburg nachts vom Teufel geweckt.

Ich nehme an, der Satan wollte redaktionelle Änderungen vorschlagen. Luther passte das gar nicht: Er soll den Dämon mit einem gezielten Tintenfasswurf verjagt haben.

Die Schreibflüssigkeit hinterließ an der Wand seines Studierzimmers einen deutlichen Klecks – so erzählten es zumindest die Burgführer im 19. Jahrhundert, die Gruseltouristen gegen kleines Trinkgeld zum Fleck führten (und durch gelegentliches Nachmalen dafür sorgten, dass er nicht verschwand).

Ob inzwischen Pinkerton-Reiniger in Eisenach üblich ist, weiß ich nicht: Heute ist der Tintenklecks jedenfalls weg.

Die teilweise holzverkleideten Wände in Luthers Studierstube sind sauber.

Der Reformator und der Teufel

Wahrscheinlich wurde die Legende vom Tintenfasswurf durch ein Missverständnis ausgelöst. Der Reformator hatte ja tatsächlich gesagt, er habe „den Teufel mit Tinte vertrieben“. Damit meinte er jedoch seine Bibelübersetzung.

Um den "Blutfleck" rankt sich eine gruselige Sage
Haus Hoyerswort: „Blutfleck“ hinter Wandbehang

Tatsächlich sehen kann man hingegen einen zerlaufenen „Blutfleck“, der in Kniehöhe an der Wand eines Saals des „Eiderstedter Schlosses“ (eigentlich Herrenhaus Hoyerswort) in Nordfriesland prangt. Um ihn rankt sich eine teuflisch-tänzerische Sage.

Er ist (pietätvollerweise?) durch einen Wandteppich abgedeckt.

Der Fleck inspirierte die Erzählung vom „Teufel und der Tänzerin“: Darin wird von einer übermütigen jungen Frau erzählt. Diese sei so tanzwütig gewesen, dass sie sogar einen Tanz mit dem Teufel vorschlug.

Beim Tanz das Leben verloren

Der Satan ging darauf ein und vollführte mit ihr einen ausgiebigen Tanz, der ihr auf blutige Weise das Leben kostete. Die Mädchen der Region dürfen sich die Geschichte seit vielen Jahrzehnten anhören. (Wird Zeit, die Dämonen durch ein tagelanges Event nach Art von Wacken auszutreiben, liebe Eiderstädter…)

Der „teuflische Tant“ in den Augen der KI. Bild: KI

Das geschichtsträchtige, inzwischen renovierte Herrenhaus beherbergt seit 2011 eine Töpferei, ein Café und jetzt auch eine Brasserie.

Die Marienkirche (links) auf der Festung Marienberg über Würzburg / Foto: Burgerbe
Die Marienkirche (links) auf der Festung Marienberg über Würzburg / Foto: Burgerbe

Einen weiteren sagenhaften Blutfleck kann die Marienkirche der Festung Marienberg über Würzburg aufweisen: Neben dem Altar liegt eine rötliche Verfärbung des Steinbodens (Quelle: Deutschlandfunk-Reportage „Von Blutflecken und toten Bischöfen„).

Der Legende nach handelt es sich um das Blut des Kaplans von Gumpenburg, der sich im Dreißigjährigen Krieg plündernden Schweden in den Weg gestellt haben soll. Allerdings vergeblich…

Der Sage nach soll es auch auf Burg Isenschnibbe bei Gardelegen einen nicht zu beseitigenden Blutfleck gegeben haben: Und zwar an der Decke. Das dorthin gespritzte Hämoglobin sollte von einem Gast stammen, den der Burgherr ermordet hatte (hier nachzulesen). Heute ist die Burg ein Schloss und blutfleckfrei.

Einen „unauslöschlichen Blutfleck“ mitsamt finsterer Geschichte findet man auch auf Burg Lockenhaus im österreichischen Burgenland: Er ist im Rittersaal zu sehen. Der Legende nach stammt er von hier unschuldig niedergemetzelten Tempelrittern.

„Blutige“ Algen an der Wand

Tatsächlich handelt es sich um Rotalgenbewuchs auf feuchtem Mauerwerk (laut Heimatlexikon Austria-Forum).

Schloss Voergaard im nördlichen Jütland gilt als "Spukschloss" / Foto: Wikipedia / PodracerHH / CC BY 3.0 D
Schloss Voergaard im nördlichen Jütland gilt als „Spukschloss“ / Foto: Wikipedia / PodracerHH / CC BY 3.0 DE

Dänemark hat ebenfalls seinen „unentfernbaren“ Blutfleck: Er liegt auf Schloss Voergaard (nördliches Jütland auf der Insel Vendsyssel-Thy): Ein Fleck auf den Dielen des nordöstlichen Turmzimmers soll vom Blut eines wie üblich unschuldig ermordeten Mannes stammen. Allen Schleifversuchen zum Trotz lasse er sich einfach nicht entfernen…

Solche Geschichten gibt es natürlich auch in der Schweiz. Die Brüder Grimm überlieferten die Sage vom Mord am Burgherrn der Steinerburg. Die Burgruine ist heute ein beliebtes Ausflugsziel bei Rorschacht am Südufer des Bodensees.

Das verräterische Tuch

Der Sage nach verriet eine Magd per herausgehängtem Tuch, dass der grausame Graf am Fenster saß. Ein gut gezielter Pfeil tat dann ein Übriges. Die Grimmsche Überlieferung endet mit den Worten: „Den Blutflecken dieses Mordes vermochte kein Wasser zu vertilgen.“

Schloss Červená Lhota in Tschechien: Roter Anstrich wegen Blutfleck? / Foto: Zdenek Svoboda
Schloss Červená Lhota in Tschechien: Roter Anstrich wegen Blutfleck? / Foto: Zdenek Svoboda / CC BY 2.0

Die Tschechen gehen mit hartnäckigen Blutflecken erstaunlich pragmatisch um: Nach einer Erzählung rührt die rote Farbe der Fassade des Wasserschlosses Červená Lhota in Südböhmen daher, dass ein wiederkehrender Blutfleck nicht mehr sichtbar sein sollte.

Der Fleck entstand der Sage nach unter einem Fenster der einst schneeweißen Fassade, als die gottlose Schlossherrin vom Teufel geholt worden sei.

Der wahre Kern dahinter ist, dass es durch einen Erbstreit in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auf dem Schloss tatsächlich ziemlich blutig zuging. Rot angestrichen war es allerdings auch damals schon.

Diese kleine, mithilfe einer schnellen Googlesuche erstelle „Blutflecken-auf-Burgen“-Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit (Burg Salzwedel soll ja auch noch einen solchen haben). Ich ergänze aber gerne…




Ein Hörbuch-Tipp zum Thema bei Youtube – „Das Gespenst von Canterville“ von Oscar Wilde, gelesen von Kati Winter: