„Entartete Kunst“ im Bombenschutt: Ausstellung in der Kaiserpfalz Paderborn



"'Entartete Kunst' im Bombenschutt": Das Plakat zur Ausstellung / Foto: LWL
„‚Entartete Kunst‘ im Bombenschutt“: Das Plakat zur Ausstellung / Foto: LWL
Die Berliner Bauarbeiter, die im November 2010 Gruben für die U-Bahn aushoben, waren ziemlich überrascht, als plötzlich Archäologen ihre Arbeit stoppten. Vor dem Roten Rathaus waren sie unter Kriegsschutt auf 16 zum Teil arg lädierte Skulpturen getoßen, die dort niemand erwartet hatte.

Es waren keine Zeugnisse aus slawischer oder brandenburgisch-preußischer Zeit, sondern Objekte so genannter Entarteter Kunst, die nach 1933 verschwunden waren und seitdem als verschollen galten.

Dem Fund widmete sich vom 4. April bis 15. Juni 2014 eine Sonderausstellung „Berliner Skulpturenfund“ im Museum der Kaiserpfalz Paderborn.



Berlins damals Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit bezeichnete den Skulpturenfund damals als „kleines Wunder“: Die verschütteten Skulpturen waren, wie circa 20.000 weitere Kunstobjekte, zwischen 1933 bis 1942 von den Nazis als „entartet“ aus Museen entfernt, verkauft oder zerstört worden.

2010 waren sie erstmals im Neuen Museum in Berlin zu sehen, jetzt kommen sie als Wanderausstellung ins LWL-Museum Paderborn.

Milly Steger, Kniende, um 1914/29 ©Museum für Vor-und Frühgeschichte, Staatliche Museen zu Berlin. Foto: Achim Kleuker
Milly Steger, Kniende, um 1914/29 ©Museum für Vor-und Frühgeschichte, Staatliche Museen zu Berlin.
Foto: Achim Kleuker
Doch wie kamen die Kunstwerke in den Berliner Boden? Steckt vielleicht eine Rettungsaktion dahinter? Der Fundort, so viel war schnell klar, entspricht früheren Kellerräumen des Hauses Königstraße 50. Dieses wurde 1944 nach einem Bombenangriff durch einen Brand zerstört.

Und just dort hatte der Steuerberaters Ehrhard Oewerdieck (1893-1977) sein Büro. Oewerdieck und seine Frau Charlotte werden seit 1978 wegen ihrer Hilfe für verfolgte Juden in Yad Vaschem als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt. Einen Nazi-Gegner konnte man sich gut als Hüter moderner Kunst vorstellen, fand auch die Zeitung „Die Welt“.

Doch die Geschichte ist zu gut, um wahr zu sein. Historiker der Freien Universität forschten nach. Sie stießen dabei auf einen ein Brief aus dem Jahr 1942, in dem die Reichspropagandaleitung der NSDAP aufgefordert wird, die Objekte der NS-Ausstellung „Entartete Kunst“ zurück in die Obhut des Reichspropagandaministeriums zu geben.

Stehendes Mädchen, 1930; Marg Moll: Tänzerin, um 1930 © Museum für Vor- und Frühgeschichte, Staatliche Museen zu Berlin.Foto: Achim Kleuker
Stehendes Mädchen, 1930; Marg Moll: Tänzerin, um 1930 © Museum für Vor- und Frühgeschichte, Staatliche Museen zu Berlin. Foto: Achim Kleuker
Die Adresse eines Kunst-Lagerraums des Goebbels-Ministeriums war in dem Schreiben auch gleich mit angegehen: Königstraße 50. Damit war klar: Die Arbeiter hatten ein verschüttetes Lager der Nazis für unerwünschte Kunst gefunden (siehe Sueddeutsche Zeitung: „Doch kein Versteck„).

Die Wanderausstellung, die bereits in Berlin und München zu sehen war, soll die Geschichte des Fundes erzähle und in Vergessenheit geratene Künstler und ihre Geschichte wieder ans Licht bringen.

So fand sich in dem verschütteten Lager auch die verschollen geglaubte Skulptur „Die Kniende“ von Milly Steger. Die Künstlerin war vor der Machtergreifung eine vor allem in Westfalen bekannte Skulpturenbildhauerin. Einige ihrer Skulpturen prägen das Hagener Stadtbild noch heute.

Die Schau betrachtet auch das Schicksal auch anderer heute vergessener Künstler wie Marg Moll, Otto Baum, Will Lammert, Karel Niestrath und Otto Freundlich.

Weitere Informationen zur Sonderausstellung auf der Homepage des LWL-Museums Kaiserpfalz Paderborn

Adresse:

Museum in der Kaiserpfalz
Am Ikenberg
33098 Paderborn
Tel.: 05251 1051-10

Mehr zur Kaiserpfalz hier im Blog: „Kaiserpfalz Paderborn: Archäologen sind Karl dem Großen auf der Spur