Mein Versuch, Schloss Herrenhausen zu besichtigen


Gesucht: Schloss Herrenhausen / Fotos: Burgerbe.de

Okay, ich erwarte ja von der Stadt Hannover keinen Goldenen Teppich, wenn ich ihr neues Schloss Herrenhausen besichtigen will. Aber ein etwas netterer Empfang wäre schon schön.

Gut, ich war mit ca. 18.30 Uhr spät dran. Das liegt aber auch an der miserablen Beschilderung, die mich von der A2 aus nicht sofort nach Herrenhausen (Hinweisschild fehlt), sondern an den Gärten vorbei erstmal zur Uni und dann zum Hauptbahnhof gelenkt hat, wo die Kette der Schilder dann abrupt abriss.

Vermutlich, weil man das Zentrum des niedersächsischen Universums erreicht hat, oder so.


Nunja, so bekommen die Touristen wenigstens noch eine kleine Stadtrundfahrt durch die einst königlich-welfische Prachtmetropole zu sehen. Mit Navi habe ich mich dann quer durch die nach Saarbrücken angeblich langweiligste westdeutsche Landeshauptstadt (sagen die Rheinländer) vorgetastet und stand plötzlich vor diesem Gebäude:

Privatschloss mitten in Hannover
Privatschloss mitten in Hannover

Was in aller Welt ist das? An der Haltestelle Mohrmannstraße erhebt sich ein steingewordener Verrückter-US-Millionärs-Ritterburg-Jugendtraum mit Mauer und zinnenbekränztem Turm. Nur die Zugbrücke fehlt.

Was ich im Vorbeifahren gesehen habe, deutet auf eine Privatvilla, an der sich ein Architekt aber so richtig ausgetobt hat.

Dass so etwas im sturmfest-erdverwachsenen Norddeutschland baurechtlich durchgeht, lässt mich auf bessere Zeiten für unsere Innenstädte hoffen. Falls jemand Informationen zu diesem Gebäude hat, ich würde gerne mehr wissen und dem Bauherrn die Hand schütteln.

Also weiter. Navi kennt den Weg. Hannover hat seltsame Kopfsteinpflaster-Seitenstraßen, die alle zum Schloss führen, wenn man die Richtung kennt.

Zu meiner Freude erweist sich ein Großteil der Fläche vor den Herrenhäuser Gärten als nicht mit unnützem Grünzeug bepflanzt, sondern dient als Parkplatz. Also Auto abgestellt und hin zum Tor.

Und da die schlechte Nachricht: Im April schließen die Herrenhäuser Gärten um 19 Uhr, letzter Einlass 18 Uhr (Stand 2013). Der Eintritt hätte fünf Euro gekostet.

„Kann man das Schloss denn auch von außen sehen“, wollte ich beim Kassenhäuschen wissen, wo noch die üppigen Tageseinnahmen sortiert wurden. Antwort: „Nicht wirklich. Aber gehen Sie mal da links lang“ – „Wie weit ist das denn?“ – „… Ich muss jetzt zählen“.

Nebengebäude (Galerie)
Nebengebäude (Galerie)
Aha. Ich also ab nach links. Da ging’s erstmal an großzügigen als Galerien genutzten Nebengebäuden vorbei bis zu einer Mauer und einem Zaun mit Sichtschutzplanen.

Sichtschutzplanen? Will man kostenlose Blicke auf die Rückfront des teuren Schlosses verhindern? Wird jeder Eintritts-Cent gebraucht?

Mag schon sein, denn finanziell ist das Projekt kompletter Wahnsinn. Rund 21 Millionen Euro soll es gekostet haben. Bezahlt hat’s die Volkswagenstiftung, um “den Wissenschaftsstandorts Hannover zu stärken”. Innen soll daher ein internationales Kongresszentrum aufgebaut werden.

Aus öffentlichen Mitteln soll im Mai in einem Seitenflügel eine Museums-Dependance entstehen, die über „Schlösser und Gärten in Herrenhausen – Vom Barock zur Moderne“ informiert.

Schloss Herrenhausen: Rückfront mit Baustellen-Gerümpel

Zumindest tun sich hier und da Lücken im Sichtschutz auf, die einen Blick auf die Rückfront des Schlosses erlauben.

Während die zu den Gärten gelegene Vorderseite schön ordentlich und herausgeputzt wirkt, herrscht „hinten“ noch Baustellenchaos.

Die Geschichte des ursprünglichen Schlosses ist schnell erzählt: Im 17. Jahrhundert aus verkleidetem Fachwerk errichtet, wurde es 1821 klassizistisch – zum Sanssouci der Welfen – umgebaut und 1943 zerstört. Die Replik soll massiver ausfallen und einiges aushalten.

Die Lokalpresse bejubelte die Fertigstellung im Januar 2013 und sonnte sich im Schein der Berichterstattung einer peruanischen Gazette (ein sicheres Zeichen für Provinzialität). Kritik von Architekten hatte man zuvor vom Tisch gewischt.

Blick von der Terrasse der Schlossküche auf Schloss Herrenhausen
Blick von der Terrasse der Schlossküche auf Schloss Herrenhausen
Die Pracht des langgezogenen, weißen Renommierbaus ist auch von der Rückseite aus bestens zu erkennen.

Direkt daneben hat sich Gastronomie angesiedelt, die Schlossküche Herrenhausen – ein niedrigeres, modernes Gebäude mit großzügiger Glasfront.

Deren Terrasse grenzt direkt an Schloss und Gärten. Und wenn man freundlich fragt, darf man auch ohne Bestellung auf der Terrasse ein paar Bilder machen…

Im Angebot sind Köstlichkeiten wie „Frühlingssalat mit Bärlauch-Frischkäse-Mousse, Tomaten und Radieschen“ als Vorspeise für 9,50 Euro oder „Püree von der Süßkartoffel und Ingwer, Paprikasugo, sautiertem Spinat und gebackenem Ziegenkäse“ für 14,50 Euro (eher eine vollwertige Hauptmahlzeit, schätze ich mal).




Rückwärtige Schlossfassade
Rückwärtige Schlossfassade
Hier also wartete die Lokalprominenz bei der Schloss-Einweihung auf den Aufmarsch des Hochadels, der kam natürlich– schließlich ist die Ernst-August-Sippschaft mit royalen Clans in ganz Europa verwandt.

Prominenteste blaublütige Besucher waren die beiden Töchter von Prince Andrew, Beatrice und Eugenie. Wobei man munkelt, dass es den Queen-Enkelinnen in erster Linie um Eigenwerbung und die Suche nach gut dotierten Jobs gegangen sei…

Zumindest dürfte kein Promi Probleme bekommen haben, das Schloss schnell wieder zu verlassen.

Die Stadtautobahn fängt nur ein paar Meter weiter an. Und die A2 ist wirklich unübersehbar ausgeschildert.

Lage:
Schloss Herrenhausen
Herrenhäuser Straße 4
30419 Hannover
(Tipp: Nicht den Schildern folgen)

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Fotos: Burgerbe.de





Ein Gedanke zu „Mein Versuch, Schloss Herrenhausen zu besichtigen“

  1. Das Burgähnliche Privatgebäude an der Haltestelle ist eine „Fake Ritterburg“ aus dem Jahre 1845. Sie Verfall dann später zu einer Ruine, bevor sie aus Privathand zu einem Wohnhaus umgebaut wurde.
    Wenn man bei Google „Ritterburg Herrenhäuser Kirchweg“ eingibt, erfährt man mehr.

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