Chateau de Pierrefonds: Auch Vorbild für Schloss Hogwarts



Chateau de Pierrefonds: Ganz schön repräsentativ / Fotos: Burgerbe.de

Auch Napoleon war ein Burgenliebhaber. Zumindest hatte Bonaparte ein Herz für Ruinen (er hat ja in seiner langen Laufbahn selbst genug davon produziert).

Jedenfalls kaufte der Korse 1810 die traurigen Überreste des einstigen Chateau de Pierrefonds bei Compiègne. Ein Schnäppchen. Seine kaiserliche Majestät mussten weniger als 3000 Franc hinblättern.

Was der Eroberer auch immer mit seiner Erwerbung anstellen wollte, der missglückte Russland-Einmarsch und Waterloo kamen dazwischen. Für die Entstehung der Vorzeigeburg, die Touristen heute sehen, war dann auch sein Neffe verantwortlich.

Eine durch die Familie Nivelon errichtete Burg gab es auf dem Hügel bereits im 12. Jahrhundert. Ludwig, Herzog von Orleans, ließ die Anlage 1393 bis zu seinem unfreiwilligen Tod 1407 repräsentativ und wehrhaft ausbauen.

Burg in günstiger Lage

Rundtürme prägen Schloss Pierrefonds
Rundtürme prägen Schloss Pierrefonds
Die Burg lag günstig, um den Handelsverkehr zwischen Flandern und der Bourgogne zu überwachen. Orleans‘ Nachfolger setzte die Arbeiten fort und wurde nur 1413 durch einen kleinen Bürgerkrieg unterbrochen.

Dabei lässt der Graf von Saint Pol das Schloss anzünden.

Es wird im Anschluss aber wieder aufgebaut, um dann 1415 nach der Schlacht von Azincourt den Engländern in die Hände zu fallen. Die Franzosen können die Gegend erst 30 Jahre später zurückerobern und mussten Pierrefonds erstmal reparieren.

1595 kommt die Burg unter die Obhut des jungen Francois-Annibal d’Estrées, Bruder der Geliebten von König Heinrich IV. („Henri Quatre“). Nach Heinrichs Ermordung 1610 zeigen die d’Estrées keinen besonderen Eifer darin, den noch unmündigen König Ludwig XIII. zu unterstützen.

Sie setzen eher auf Heinrich II. von Bourbon. Kardinal Richelieu nahm das extrem übel. Er ließ Pierrefonds 1616/17 belagern und im März 1617 einnehmen.


Plan vom Chateau de Pierrefonds
Plan vom Chateau de Pierrefonds
Der Zorn des Kardinals tobte sich an den Gebäuden aus. Nur Mauern und Türme widerstanden der Schleifung, Pierrefonds wurde für mehr als 200 Jahre zur (malerischen und immer noch recht gut erhaltenen) Ruine. Francois-Annibal hat der Verlust der Burg übrigens nicht sonderlich geschadet.

Im Gegenteil. König Ludwig setzte den Mann mit dem kriegerischen zweiten Vornamen als General ein, und ließ ihn ein bisschen nach Deutschland marschieren. 1632 nahm er zum Beispiel Trier ein. Später brachte es Francois-Annibal noch zum Marschall von Frankreich.

Tja, und dann kam Napoleon, kaufte, und ging ins Exil. Bürgerkönig Louis Philipp richtete 1832 mal inmitten der Ruine ein Bankett für seine Tochter Louise Marie aus, die den König von Belgien heiratete.

1848 stellte man die ganze Anlage unter Denkmalschutz. 1850 schaute sich dann der damalige Staatspräsident Louis-Napoléon Bonaparte (ein Neffe des kleinen, großen Korsen) das Trümmerfeld am Rand des Waldes von Compiègne an.

Chateau Pierrefonds: Skulptpur in der Turmfassade
Das war insofern von Bedeutung, als dieser zwei Jahre später zum Kaiser Napoleon Nummer drei aufstieg.

Und mit dem in der Familie Bonaparte ausgeprägten Größenwahn ordnete er 1857 den „Wiederaufbau“ von Pierrefonds als kaiserlicher Burg an.

Er dachte später daran, es zu seiner Zweitresidenz zu machen.

Der Auftrag ging an Eugène Viollet-le-Duc, den Experten, für den historischen Wiederaufbau von Burganlagen, der sich besonders in Carcassonne einen Namen machte.

Zunächst sollten nur Teile rekonstruiert, und die restlichen Ruinen als solche stehengelassen werden.

Zwischen 1858 und 1860 ließ er die beiden Osttürme Hector und Godefroy de Bouillon rekonstruieren.

Auch auf grimmige Königsstatuen als Blickfang in Nischen an der Schauseite der Türme wollte er partout nicht verzichten…

Entwurfzeichnung für Schloss Pierrefonds von Violett-le-Duc (Wikipedia, gemeinfrei)
Den Auftrag interpretierte der Architekt dann allerdings bald sehr frei und plante auf den mittelalterlichen Grundmauern etwas bombastisch Neues, das dem imperialen Geschmack Napoleons III. sehr zusagte.

1861 gab der Kaiser Grünes Licht zur Erweiterung des Plans in diese Richtung. 1867 wurde das Schloss für Besucher eröffnet. 120.000 kamen pro Jahr und schauten sich das idealisierte Bild eines herrschaftlichen Burgschlosses zu Beginn des 15. Jahrhunderts an.

Die weiteren Arbeiten wurden mehrfach unterbrochen. Zunächst durch den Deutsch-Französischen Krieg und den Sturz Napoleons III..

Nach Viollet-le-Ducs Tod 1879 machte sein Schwiegersohn Ouradou weiter, der 1884 starb. 1885 war dann erstmal Schluss. Bis heute ist das Schloss unvollendet, was man ihm von außen allerdings nicht ansieht.

Innen konnten nur fünf Säle planmäßig dekoriert werden. Zur kaiserlichen Residenz hat es nie gereicht. Und nicht mal Ex-Präsident Sarkozy hatte Anstalten gemacht, sich hier durch den Abschluss der Bauarbeiten ein Denkmal zu setzen…


pierrefonds7Pierrefonds gelangte dann im 20. Jahrhundert zumindest indirekt zu Weltruhm, indem es zum Vorbild für das Schneewittchenschloss von Disneyworld in Anaheim (Kalifornien) wurde.

Die Amerikaner machten es allerdings ähnlich wie Viollet-le-Duc. Sie ließen sich vom Original bestenfalls inspirieren und zogen schließlich doch ihr eigenes Ding durch, das am Ende wie eine von Ronald McDonald und Donald Trump erdachte Mischung aus Pierrefonds mit Neuschwanstein aussah.

Man könnte beim ersten Blick meinen, Pierrefonds sei auch ein bisschen als Vorbild für Hogwarts Pate gestanden, das Zaubererschloss aus den Harry Potter-Bänden.

Letzter Eintritt: 17.15 Uhr
Letzter Eintritt: 17.15 Uhr
PS: Falls sich jemand wundert, warum ich hier keine Fotos vom Innenhof des Schlosses zeige, DAS liegt am penibel eingehaltenen, hochheiligen französischen Feierabend.

Denn offiziell hat die Burganlage bis 18 Uhr auf, ABER, letzter Eintritt ist um 17.15 Uhr. Darauf weist denn auch ein kleines Extra-Schild hin.

Und bereits um 17.16 Uhr kommt man garantiert nicht mehr rein. Auch nicht „nur für ein Foto“. So erging es halt auch mir…

Quellen:Wikipedia-Eintrag, Schloss-Homepage (französisch, mit Öffnungszeiten, etc.)

Lage F-60350 Pierrefonds (die Ausschilderung ist miserabel)

In der Nähe findet sich noch das Museum zum Waffenstillstand des Ersten Weltkriegs (Musée de l’Armistice)

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Fotos: Burgerbe.de