Bischofsburg Wittstock: Museum zum Dreißigjährigen Krieg



Warum waren in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Schweden so überlegene Kämpfer, die kaiserliche Armeen reihenweise in die Flucht schlugen?

Was hat ein Floh mit einer Belagerung zu tun? Und wie viel verdient eigentlich der Soldat, der im Tross das Hurenwesen organisiert?

Wer Antworten auf diese Fragen sucht, findet im brandenburgischen Wittstock an der Dosse das einzige Museum Deutschlands, das sich ganz dem Dreißigjährigen Krieg widmet.

Das „Rathaus des Westfälischen Friedens“ in Münster jetzt mal außen vorgelassen.

Ausstellung auf 7 Ebenen

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Die Ausstellungsebenen: Wenige Exponate, dazwischen einige Infotafeln
Die Ausstellung auf den sieben Ebenen des 32 Meter hohen Turms ist klar strukturiert und nicht mit Infos überfrachtet.

Ich finde sogar, die Auswahl ist ein wenig arg ausgedünnt. Ein paar Exponate mehr hätten sicher nicht geschadet.

Die Bischofsburg ist eines der wenigen Museen mit Bezug zur Geschichte, das man wahrscheinlich auch mit quengelnden Kindern besuchen kann – sofern diese nichts gegen Treppensteigen haben.

Die Gliederung:
Ebene 1 Mythen und Wahrheiten
Ebene 2 Ursachen des Krieges
Ebene 3 Lebensfreude und Lebensnot
Ebene 4 Das Leben in der Armee
Ebene 5 Technik und Mensch im Krieg
Ebene 6 Die Schlacht
Ebene 7 Der langersehnte Frieden

Besonders interessant fand ich die Schlachten-Dioramen mit hunderten Zinnsoldaten, in denen die Taktiken der Kontrahenten erklärt wurden.

Dort erklärten sich auch die dauernden Erfolge der beweglichen und feuerstarken, weniger tief gestaffelten Schweden über die träge operierenden, dicht zusammenstehenden kaiserlichen Gevierte.



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Mini-Soldaten schlagen die Schlacht bei Wittstock

Unter einem Mikroskop wartet hier auch ein „Pestfloh“ auf neugierige Betrachter. Ein Hinweis darauf, dass letztlich mehr Menschen an Seuchen und Krankheiten starben als durch die direkten Kriegseinwirkungen.

Unter den zeitgenössischen Quellen (Briefe, Flugblätter), die gezeigt werden, sticht besonders eine Lohnliste hervor, die transparent macht, was einfache Soldaten und Spezialisten so verdienen konnten.

Während Obristen auf 80 bis 200 Reichstaler pro Woche kamen, musste sich der einfach Soldat mit 3/4 bis einem Taler zufrieden geben.

Der „Hurenwäbel“, der im Tross unter den Prostituierten der jeweiligen Kompanie für Ordnung zu sorgen hatte, verdiente nur unwesentlich mehr: 1 1/4 Taler. Fachkräfte wie Wagen- und Proviantmeister waren dagegen mit vier Talern dabei.

Die Soldzahlen stammen von einem Flugblatt zur Anwerbung von Söldnern und sind daher mit Vorsicht zu genießen. Ob der versprochene Sold dann auch in klingender Münze ausgezahlt wurde, steht auf einem anderen Blatt…

Erste Hilfe mit der Knochensäge

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Restaurierte Türme mit Burgmauer

An medizinischen Gerät ist das wichtigste Utensil der Feldscher ausgestellt: die Knochensäge.

Ohne Antibiotika mussten schwer verletzte Gliedmaßen allzu häufig amputiert werden, wenn man nicht an einer Infektion zu Grunde gehen wollte. Gruselig.

Die Burg selbst entstand ab 1244 auf den Fundamenten einer slawischen Ringwallburg (bei der Ostkolonisation nahm man eben, was man kriegen konnte).

Sie sollte dem Schutz der wachsenden Siedlung dienen, die sich aus einem ehemals slawischen Dorf entwickelt hatte. Die Grenze zu den Slawen verlief praktisch direkt vor der Burgmauer.

1271 ließen sich die Bischöfe von Havelberg auf der Burg nieder und blieben 270 Jahre (daher auch der Name Alte Bischofsburg). Entsprechend prächtig muss auch die Burgkapelle ausgestaltet gewesen sein.

Burg Wittstock: zu teuer für Brandenburg

Wittstock war die lokale Metropole. Die Festung galt als uneinnehmbar. Sie bestand aus zwei Teilen, der Oberburg zum Wohnen und der Unterburg mit den Wirtschaftsgebäuden.

Mit der Reformation fiel der Bischofssitz an das Fürstentum Brandenburg und wurde 1596 aufgehoben. Bereits die Brandenburger hatten kein Interesse mehr am teuren Erhalt der Burg.

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Blick vom Burgturm auf Wittstock

Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Anlage schwer zerstört. Vor der Stadt tobte am 4. Oktober 1636 die Schlacht bei Wittstock.

Dabei siegten 16.000 Schweden gegen 22.000 Kaiserliche und schossen sich so den Weg in die Mitte Deutschlands frei. Bei der Schlacht starben etwa 6000 Menschen.

2007 entdeckte man ein Massengrab mit den Überresten von rund hundert Soldaten.

Nach dem Krieg sind noch mehrere Hochzeiten in der Burgkapelle nachgewiesen, doch während eines Sturms zur Jahreswende 1703/04 stürzten wesentliche Teile der Burg ein.

Im 19. Jahrhundert wurden die Reste der Ruine zum Teil abgebrochen. 1930 entstand neben dem Burgturm ein Fachwerkbau.

Zur DDR-Zeit wurde im Turm ab 1957 eine Schau des Kreisheimatmuseums gezeigt.

Auch als Jugendherberge wurde die Burg genutzt. 1995 bis 1998 wurde die Burganlage im Rahmen eines EU-Förderprojekts restauriert und schließlich 1998 das Museum des Dreißigjährigen Krieges eröffnet.

Außerdem beherbergt die Anlage noch das heimatkundliche Ostprignitz-Museum.

Lage:

Amtshof 1-5
16909 Wittstock/Dosse
(an der A24/A19 Hamburg-, bzw. Rostock-Berlin)




Links: Museumsseite, Wikipedia-Eintrag über die Alte Bischofsburg

Mehr zum Dreißigjährigen Krieg und den Tod von Schwedenkönig Gustav Adolf auf dem Schlachtfeld hier im Blog:
Schloss Lützen: Erinnerung an die Schlacht von 1632

Mehr zu Schlössern und Burgen in Berlin/Brandenburg hier im Blog:
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Fotos: Burgerbe.de