Schweriner Schloss: Großherzoglicher Luxus mit Seeblick




Leuchten lohnt: Das Schweriner Schloss bei Nacht.
Leuchten lohnt: Das Schweriner Schloss bei Nacht / Fotos: Burgerbe.de
Besonders kleinere Potentaten haben ja in der Regel große Lust, ihre überschaubare Macht durch monströsen Luxus zu kompensieren (Nordkorea, das frühere Libyen unter Gaddafi, Bayern…).

Im hervorragend sanierten Schweriner Schloss kann man das am historischen Beispiel der Großherzöge von Mecklenburg sehr schön sehen.

Seit mehr als tausend Jahren ist die Schlossinsel im Schweriner See befestigt. Einst stürmten hier Welfen und Sachsen gegen die lokalen Obodriten-Clanchefs, heute wird nur noch politisch gefochten: Im Schloss tagt der Landtag von „Meck-Pom“. Überrannt wird bestenfalls das benachbarte Gelände der Bundesgartenschau von 2009.

Der erste Hinweis auf eine Befestigung auf der Insel stammt kurioserweise von einem Touristen. Der durchreisende Diplomat Abraham ben Jacov schaute 965 beim Burgenbau zu und schrieb darüber in sein Reisetagebuch (leider sind von diesem einzigartigen Bericht nur Fragmente erhalten).

Der letzte Obodriten-Fürst Niklot als Reiterstandbild in der Schweriner Schlossfassade
Der letzte Obodriten-Fürst Niklot als Reiterstandbild in der Schweriner Schlossfassade
Das Sagen hatten rund um das heutige Schwerin zu diesem Zeitpunkt schon seit mehr als 200 Jahren die Obodriten, ein slawischer Volksstamm, dessen Mitglieder bereits um das Jahr 800 als heidnische Verbündete Karls des Großen gegen die Sachsen gekämpft hatten.

Sie waren zwar zehn Jahre vor Abrahams Tour durch Kaiser Otto I. geschlagen, unterworfen und christianisiert worden, sannen aber gerade auf Rache. Dass sie da ihren Stützpunkt Schwerin massiv befestigten, war ziemlich logisch.

Die Revanche gegen die Franken sollte dann 983 im ersten großen Slawenaufstand kommen. Die Obodriten schlossen sich dabei der Rebellion der Liuitzen an und warfen kaierliche Beamte und Priester aus dem Land.

Militärisch bestand ihre Beteiligung darin, das damals reichlich unbedeutenden Städtchen Hamburg zu plündern.

Der Aufstand war derart erfolgreich, dass die deutsche Ostsiedlung erstmal für 200 Jahre zum Stillstand kam und es sich auf der Schweriner Burg recht ungestört leben ließ.



Letzlich konnte sich das Obodriten-Fürstentum aber nicht gegen den mächtigen Sachsen-Herrscher Heinrich den Löwen halten. 1160 wurde der Clanchef Niklot von Männern Heinrichs getötet.

Im Schloss erzählt ein Monumentalgemälde von seinem Tod im Hinterhalt. Angesichts ihrer aussichtslosen Lage brannten die Obodriten die Burg Schwerin nieder. Heinrich fing neu an: Er gründete das Bistum Schwerin und begann den Neubau der Burg.

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Schlossfassade
Niklots Sohn Pribislaw gab seinen Widerstand bald auf, ließ sich taufen und wurde zu einem treuen Gefolgsmann Heinrichs des Löwen (der vorher noch schnell Pribislaws Bruder hinrichten ließ).

Dafür erhielt der Niklot-Sohn große Teile des väterlichen Besitzes als Lehen (ohne Schwerin) und wurde Stammvater einer Dynastie, die erst 1918 von der Revolution hinweggefegt werden sollte. Standesgemäß verstarb er übrigens 1178 an einer Turnier-Verletzung.

Schwerin mit seiner Burg war derweil in den Händen der von Heinrich eingesetzten Grafenfamilie von Hagen – und blieb da auch. Erst 1358 kauften Pribislaws Nachkommen, seit zehn Jahren stolze Herzöge von Mecklenburg, schließlich ihren alten Stammsitz mitsamt Grafschaft zurück.

Sie verlegten auch gleich ihre Residenz von Mikelenburg bei Wismar nach Schwerin. Sie bauten die wehrhafte Burg zum Schloss um, aus ihrer Zeit steht noch der Bischofsbau an der Seeseite.

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15 Türme nach französischem Vorbild
Herzog Johann Albrecht I. ließ das Schloss dann 1553 bis 1555 im Renaissance-Stil umbauen und erweitern. Der Herzog schaute auf Luxus: Rote Terrakottaplatten schmückten nun die Fassade. Alabasterreliefs und Sandsteinportale kamen hinzu.

Kurz vor dem Dreißigjährigen Krieg war dann ein Totalumbau im Stil der niederländischen Renaissance geplant, allerdings kam der Krieg dazwischen.

Kaiser Ferdinand II. waren die protestantischen Obodriten ein Dorn im Auge, und er „entließ“ sie 1628 kurzerhand, um das Land an seinen Feldherrn Wallenstein zu übertragen. Bei den Kurfürsten sorgte diese Selbstherrlichkeit für erheblichen Unmut.

Wenn der Kaiser die Mecklenburger Herzöge so einfach enteignete, was könnte er dann als nächstes tun?

Auf Druck der Fürsten folgte Anfang 1630 die Entlassung Wallensteins und die Rücknahme der umstrittenen Mecklenburg-Entscheidung. Die folgenden Kriegsjahre überstand Schwerin relativ glimpflich, das Schloss blieb trotz des schwedischen Durchmarschs stehen.

Infolge einer Reichsexekution gegen Herzog Karl Leopold waren nach 1719 die Hannoveraner einige Jahre die Herren im Schweriner Schloss. Im weiteren Verlauf des 18. Jahrhundert wurde die Anlage um einen Fachwerkbau für die herzögliche Gemäldesammlung erweitert.


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Unter dem Eindruck der Prachtentfaltung des französischen Hofs in den Jahrzehnten vor der Revolution zog der herzogliche Haushalt 1763 ins Schloss Ludwigslust um, auch als „mecklenburgisches Versailles“ bekannt. Herzog Friedrich Franz I. wurde 1806 von den französischen Besatzern zunächst entthront.

Doch die Fähigkeit der Familie, ihre Fahne immer wieder – wenn auch leicht verspätet – nach dem momentanen politischen Wind zu drehen, rettete ihn. Nach einem Treffen mit Napoleon setzte ihn der Korse 1807 wieder ein, und der Mecklenburger trat soglich dem französisch dominierten Rheinbund bei.

Als das Pendel umschwang, fand sich Friedrich Franz denn auch auf der „richtigen“ Seite wieder und stellte sich nach dem Russland-Debakel der Grande Armee auf die Seite der Alliierten. Zum Dank durften er und seine Nachfolger sich seit 1815 Großherzöge nennen. Nach seinem Tod zog es Sohn Paul Friedrich 1837 aus Ludwigslust wieder zurück in die alte Hauptstadt Schwerin.

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Blick vom Schloss auf den Schweriner See
Paul Friedrich wollte das heruntergekommene Gemäuer umbauen und einen neuen Flügel errichten. Um die Pläne umzusetzen, stützte er sich auf Hofbaumeister Georg-Adolf Demmler.

Bevor jedoch allzuviel in die Tat umgesetzt war, starb der Großherzog 1842 im Alter von nur 41 Jahren an einer Erkältnung, die er sich beim Löschen eines Stadtbrands zugezogen hatte.

Auf den Thron kam sein erst 19-jähriger Sohn Friedrich Franz II.. Der wollte zunächst alles anders machen, und sah in den historischen Gebäuden in erster Linie alte Kästen, die seinen hochfliegenden Plänen im Weg standen.

Demmler konnte dem jungen Monarchen jedoch die schlimmsten Ideen ausreden und seine eigenen Entwürfe durchsetzen.

Der Architekt orientierte sich am Renaissance-Loireschloss von Chambord (inzwischen eine Unesco-Welterbestätte). Elemente aus 16. und 17. Jahrhundert bezogen Demmler und sein Mitarbeiter Hermann Willebrand in das Ensemble ein. 1847 war als erstes prägendes Bauwerk der Hauptturm fertig.

Dann kam die 1848er-Revolution. Noch 1849 erließ Friedrich Franz ein äußerst liberales Staatsgrundgesetz als Verfassung für Mecklenburg-Schwerin¹), was seinen stockkonservativen Verwandten überhaupt nicht passte.

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Prächtig: der Thronsaal (Foto: Wikipedia/Sky). Entstanden, als sich die Regierung auf die Drohung eines Eingreifens der preußischen Armee stützte.
Der Adel erzwang mit Hilfe der Preußen 1850 eine rigide Rolle rückwärts. Der so genannte Freienwalder Schiedsspruch erklärte die liberale Verfassung für ungültig und kehrte zum alten herzoglichen Landesgrundgesetz von 1755 zurück. Das gab die Macht in erster Linie in die Hände der im Landtag vertretenen Mecklenburgischen Ritterschaft.

Die mecklenburgischen Großherzogtümer (Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz) waren damit verfassungspolitisch die rückständigsten Gebiete Deutschlands.

Der harte Kurs gegen die Demokraten und „Arbeiterfreunde“ schlug auch auf den Schloss-Umbau durch. Der liberale Baumeister Demmler, der es gewagt hatte, eine Kranken- und Unfallkasse für die Arbeiter einzurichten und sich für eine gerechte Entlohnung einzusetzen, wurde entlassen.

Als seinen Nachfolger berief der Großherzog den Berliner Architekten Friedrich August Stüler, der sich bereits mit dem Wiederaufbau der schwäbischen Vorzeige-Ritterburg Hohenzollern einen Namen gemacht hatte.

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Reich geschmückte Decke im Foyer des Schlossmuseums
Er veränderte den Demmler-Entwurf stark, fügte das Niklot-Reiterstandbild und die goldene Prunkkuppel hinzu. Auf ihn geht auch der von völlig überzogenem Luxus nur so triefende Ausbau der Räume und der Thronsaal zurück.

Dabei griffen die Raumausstatter auch ganz gern auf Billig-Material zurück, um den pompösen Eindruck zu erreichen: Die reichlich vorhandenen Decken-Intarsien sind nicht aus Marmor, Gips und seltenen Tropenhölzern, sondern aus bemaltem, in Formen gepresstem Pappmaschee. Eine durchaus praktische Lösung.

Als das Schloss 1857 fertig war, galt es als Hauptwerk des romantischen Historismus und steht damit architekturgeschichtlich in einer Reihe mit der Drachenburg bei Königswinter und Schloss Neuschwanstein. Die Idee mit den leicht brennbaren Baumaterialen hatte nur einen Haken: Es konnte schnell zur Katastrophe kommen. Die trat dann auch kurz vor dem Ersten Weltkrieg ein. Ein Drittel des Schlosses brannte am 14. Dezember 2013 ab. Der Wiederaufbau dauerte während des Weltkriegs noch an.

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Prachtvolle Türme und die goldene Kuppel
Nach Abdankung des letzten Großherzogs im Zuge der Novemberrevolution ging das Schloss in Staatsbesitz über. Bereits 1921 eröffnete im Schloss ein Museum. Auch den Zweiten Weltkrieg überstand die Anlage weitgehend unbeschadet.

Die DDR ließ im 1913 ausgebrannten Burgseeflügel ab 1948 einen Plenardsaal einrichten und nutzte das Schloss ansonsten zur Ausbildung von Kindergärtnerinnen und als Museum. Seit 1974 bemühte man sich sogar, die Innenräume zu erhalten.

Das war in der DDR nicht unbedingt alltäglich, andere Schlösser ließ das Regime sprengen.

Nach der Einheit wurde das Schweriner Schloss zum Sitz des Landtags des neuen Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern. Seitdem müssen sich die Mecklenburger anhören, dass sie zwar den schönsten Parlamentssitz, aber den „hässlichsten Plenarsaal“ haben. Nunja.

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Das Schloss im Stadtbild
Seit dem Mauerfall hat sich das Bundesland des Schlosses stolze 87 Millionen Euro kosten lassen. Speziell die Fundamente, die sich jährlich um bis zu zwei Millimeter in den schlammigen Boden senken, machen Probleme. Eine der Maßnahmen war die Sanierung des Glockenturms mit seiner vergoldeten Kuppel (23,75 Karat).

2003 waren an dem Bauwerk, dessen Kern vermutlich aus dem Jahr 1555 stammt, erhebliche Schäden festgestellt worden. Auch alle anderen Türme (es sind insgesamt 15) und die Schlossfassade wurden saniert. Ganz fertig mit der Fassade wurde man 2011 zur Buga, bzw. eigentlich nie.

Spuk
Das Schweriner Schloss hat einen guten Geist, das Petermännchen. Der Zwerg warnt vor Unheil. Auch vor dem Brand 1913 wurde er angeblich auf der Schlossbrücke gesehen. Aber man hörte nicht auf ihn.

Lage
Schloss Schwerin,
Lennestraße 1,
19053 Schwerin

Und hier ein Imagefilm zum Schweriner Schloss und der Stadt Schwerin:



Links: Wikipedia-Eintrag zum Schweriner Schloss, Schlossmuseum Schwerin, sehr detailliert sind auch die Infos auf der Schloss-Seite des MVP-Landtags.

¹) 1701 hatte sich die Familie so über die Thronfolge zerstritten, dass für die zu kurz gekommenen neben Mecklenburg-Schwerin ein eigenes Herzogtum (ab 1815 Großherzogtum) Mecklenburg-Strelitz aus der Taufe gehoben wurde. Dieses blieb bis 1918 erhalten und außerhalb des Geltungsbereichs der liberalen 1848er-Verfassung. Die beiden Mecklenburgs bildeten zusammen einen „Gesamtstaat“.

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Fotos: Burgerbe.de, falls nichts anderes dabeisteht



4 Gedanken zu „Schweriner Schloss: Großherzoglicher Luxus mit Seeblick“

  1. mein grossvater hat nach dem krieg den reiter renoviert
    und seinen namen im huf verewigt( m.k.) heike lamboy

  2. Hallo, Jan, tolle Infos und Fotos! …man sollte wohl mal zur BuGa fahren, es scheint sich in diesem Jahr besonders zu lohnen.

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