US-Geisterjäger auf Burg Frankenstein




Geisterjägerin Shannon Sylvia beim Fürchten in der Kapelle von Burg Frankenstein (Screenshot YouTube) / Bild oben: Burg Frankenstein (eigenes Bild)

Ich muss es ja zugeben: Ich sehe schrecklich gern US-Geisterjäger-Dokus. Die bestehen in der Regel aus ein paar zotteligen Nerds mit Koffern voller Hightech-Spielzeug. Und, ganz wichtig: einer hypersensiblen, extrem schreckhaften, wasserstoffblonden Moderatorin im stylishen Pimkie-Fummel. Irgendwer muss die Geister schließlich spüren und hysterisch rumschreien.

Dann wird zu irgendwelchen Gebäuden mit vermeintlich gruseliger Vorgeschichte gefahren und das blonde Medium mitsamt Nerd-Technik in der Nacht in einem stockdüsteren Raum ausgesetzt.

Unterlegt mit düsterer Musik und einer Grabesstimme, die die gar schröckliche Geschichte des Ortes vorträgt. Was passiert dann wohl…? Es dauert keine zehn Minuten, und das eingemummelte Blondchen gerät in der Dunkelheit in Panik, weil sie „etwas gehört/gesehen/gespürt hat“.



Sie stammelt das mit wehenden Haaren in die Nachtsicht-Kamera, die die folgende Flucht mit wilden Schwenks begleitet. Diese „pretty impressive personal experience“ gilt dann als „Beweis“ für ein paranormales Phänomen in Old Germany. Zwischendurch gibt’s natürlich reichlich nützliche Verbraucherinformation.

Screenshot der „Ghost Hunters International“-Seite

Weil die Zahl der mehr als 200 Jahre alten Bauwerke der  USA nun mal – sorry – recht überschaubar ist, sind die Teams gelegentlich in Europa unterwegs, manchmal sogar in Good Old Spooky Germany.

Da gibt’s schließlich so tolle mysteriöse Gemäuer wie Burg Frankenstein bei Darmstadt. Normalerweise jagen die Reporter von „Destination Truth“ und „Ghost Hunters International“ jedes Team für sich hinter Sumpf-Sauriern, Teufelswürmern oder den Geistern von Folteropfern her.

Diesmal ging der Spesen-Tripp gemeinsam an den Rand des Odenwalds zur Burg Frankenstein, deren Name den Beginn der Horror-Literatur markiert. Mit reichlich Infrarot-Kameras, Digitalrekordern und den unvermeidlichen sensiblen Frauen machten sich die Teams auf richtig schön respektlos-amerikanische Art auf die Jagd nach den altdeutschen Gespenstern.

Respektlos? Naja, was würden SIE sagen, wenn Sie nach 400 Jahren spukhafter Para-Existenz von ein paar nassforschen Twens grob, kichernd und auf lautem Kaugummi-Englisch mitten in Ihrem Wohnzimmer aufgefordert werden, sich jetzt gefälligst zu erkennen zu geben.

Die Reaktion der Unterwelt auf die trampeligen „Investigators“ kann man jedenfalls als beleidigtes Schweigen deuten…


Hier spricht der „Geist“ (die kleinen Ausschläge)

Zumindest in der Burgkapelle benahmen sich die Teams. Die mitgereisten Damen redeten respektvoll (auf Englisch) auf die übernatürliche Entität ein. Zur Belohnung hatten sie dann beim nächtlichen Aufenthalt im Gotteshaus das erwünschte Spukerlebnis („Da hat sich was bewegt“). Höhepunkt war der kollektive Eindruck, jemand habe auf die Türklinke der Kapelle gedrückt. Da war aber niemand.

Die Tonbändern hatten derweil diverse Arten von Knack- und Klick-Geräuschen aufgezeichnet, die sich am Bildschirm prima darstellen lassen. Sieht dann gleich viel wissenschaftlicher aus.

Auf deutscher Seite zogen die Geisterjäger den höchst umstrittenen Heimatvorscher Walter Scheele zu Rate. Der hörte sich das digitalen Geknurpsel an und meinte darin auch gleich „altdeutsche Worte“ zu erkennen. Und das Geräusch der Türklinke hat er auch schon diverse Male gehört…

Deutung der aufgezeichneten Geräusche…

Scheeles Deutung des kosmischen Knisterns: Einmal soll der Geist gönnerhaft „Kommt her“ gesagt haben. Ein anderes Mal „Arbo ist hier“ (Abkürzung für den im 13. Jahrhundert lebenden Ritter Arbogast von Frankenstein, auch Geister lieben’s bekanntlich kurz).

Scheele sprach im Gegensatz zum Geist in bemüht deutlichem Schulenglisch, was von den Filmproduzenten hinterher trotzdem untertitelt wurde, wohl für diejenigen US-Bürger, die den deutschen Akzent nicht so verstehen.

Seine Worte beeindruckten wiederum die Amerikaner, und man schaukelte sich gegenseitig ein bisschen hoch. Klassische Win-Win-Situation. Nach Besichtigung einer traditionellen Äppelwoi-Produktionsstätte machten sich die Amis auf den Heimweg, voller Erinnerungen vom wahrhaft mystischen Good Old Germany. Klasse, gell…?


Link: Mehr zum Streit um die Geschichten der Burg Frankenstein in meinem Beitrag Mary Shelley, Frankenstein und der “explodierte” Burgturm. Speziell die Debatte unter den Kommentatoren ist sehr interessant.

Bilder: Screenshots von YouTube



12 Gedanken zu „US-Geisterjäger auf Burg Frankenstein“

  1. Kein Wunder, dass es heutzutage kaum noch irgendwo richtig spukt. Bei solchen Geistergeschichten da käme ich mir als Gespenst auch nicht gerade ernst genommen vor 😉

  2. @ all:

    jo, das mit dem jungen Mann, der von GHI als „Historiker“ verkauft wurde, das empfanden wir auch als reichlich dreist. Der „Kollege“ war damals Mitglied meines Teams und Fakt ist, dass GHI uns versichert hatte, dass bei deren Endschnitt der betreffenden TV-Episode tatsächlich alles „mit rechten Dingen“ zugehen würde. (Zumindest dort, wenn schon nicht in der Kapelle… *lol*)

    Zur Ehrenrettung der Thematik ansich möchte ich hier mal den Hinweis einflechten, dass man über die Ergebnisse sogenannter „Geisterjäger“-Teams durchaus trefflich streiten kann, dass aber die Aufgabenstellung, der wir uns verschrieben haben, durchaus ehrenwerter Natur ist: nämlich die Aufdeckung der wahren Hintergründe scheinbar paranormaler Phänomene.

    Die Ursachen hinter solchen Dingen sind in aller Regel in ganz reellen Dingen zu finden wie etwa Infraschallwellen, die auf die seitlichen Schläfenlappen des Gehirns einwirken und Halluzinationen hervorrufen oder elektromagnetischen Impulsen oder einfachen optischen oder akustischen Täuschungen anderer Art. Solche Dinge gilt es, ausfindig und ausklammern zu wollen, bevor man daran geht, vermutete „übernatürliche“ Ursachen zu eruieren.

    Unser damaliges Teammitglied hat sich natürlich nicht explizit so zu den Dingen geäußert, wie es im endgültigen Schnitt zu sehen war – der letztlich einzig im Film verbliebene Satz des Interviews ist völlig aus dem Zusammenhang gerissen und war ursprünglich mehr als Wiedergabe der allgemeinen Meinung von angeblichen Augenzeugen zu verstehen, die eher esoterisch orientierte Antworten bevorzugen.

    Thats US-TV!

    Dass wir als Amateur-Geisterjäger bei unseren bisherigen Aktionen immer wieder auch Phänomene beobachten konnten, die wir uns nicht rational erklären können, mag einem grundsätzlichen Kritiker unserer Zunft nicht wirklich argumentativ überzeugen, aber fast jeder, der sich dieser Materie einmal ernsthaft und unvoreingenommen angenähert hat, wird nicht bestreiten wollen, das Shakespeare wohl durchaus recht hatte: …dass es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde… blablabla…!

    Wir versuchen wenigstens, Antworten zu finden. Das ist sicher weitaus mehr als das, was uns mancher unserer Kritiker entgegen zu halten vermag, der einfach nur papageienhaft die dogmatischen Thesen der Schulwissenschaft wiederholt, die meist einfach das ablehnt, was nicht sein kann, weil es nicht sein darf.

    Liebe Grüße von Andreas

  3. Ein sehr schöner Artikel ich habe mich herorragend amüsiert. 🙂

    Da ich ja für Amis arbeite kann ich mir gut vorstellen wie die abgehen. Chefin glaubt nicht nur, dass es hier spukt sondern sie hat auch vor Jahren mal einen Exorzisten in ein anderes Schloss, das sie in der provence besitzt kommen lassen. Denn in einem Zimmer seien immer die Blumensträusse verwelkt. Das habe dann auch aufgehört nachdem der Exorzist da gewesen sei.
    Exorzisten seien auch in Frankreich ganz normal wo es immer noch viele Hexen gäbe, und nein, Chefin liest nicht „Melusine“.

    Es gibt da auch noch eine Episode mit Chefin und Voodoo, aber das berichte ich ein andernmal.

  4. @Jan: Das fiel mir just in dem Moment ein, wo ich die Antwort abgeschickt hatte 🙂

    @Langenberg: Ich möchte niemanden etwas unterstellen, aber für Geld wird so vieles gemacht 😉

  5. Dass sich der Burgpächter des Frankensteins nicht schämt, solchen Quatsch auf die offizielle Burgseite zu setzen! Das fällt doch auf ihn selbst zurück. Halloween könnte man noch als gut gelungenen Geschäftserfolg verstehen, aber so etwas! Vor allem dass er diesem Scharlatan Scheele so sehr das Feld überläßt. Wie kann man solche Leute denn ernst nehmen, ohne seinen guten Namen gleich mit zu verlieren?

  6. @Wortman: Ähm, deswegen hab ich doch das Youtube-Fenster in den Eintrag eingebaut. Das führt direkt zu Teil 1 von 5. Einfach anklicken. Und unter meinem YouTube Fenster ist ein Link zur Seite, wo alle 5 Teile verlinkt sind.

  7. @wortman: also auf YouTube sind oder waren zumindest zeitweise alle Episoden zu sehen, dazu gibt es mehrere Video-on-Demand-Systeme zB bei Amazon.com, bei denen man sich Folgen für je 2,- $ anschauen kann. Und natürlich erscheint alles bald auch auf DVD, auch wenn das nur in den USA erscheint, nachdem ja jetzt im Rahmen des Halloween-Festival auf der Burg kräftig die Werbetrommel dafür gerührt wurde, werden sicher so einige die DVDs aus den USA importieren lassen, ist heute über das Internet ja nicht mehr schwer.

  8. Mist… da habe ich wohl echt etwas verpasst 🙁

    @Jörg: Das wird per Internet vertrieben? Über You.Tube oder gibt da noch etwas anderes zum gucken?

  9. Besonders lustig ist ja schon der Anfang der Show: da hat man die Einblendung „Darmstadt, Germany – Saturday, 3:36 pm“, sehen tut man Frankfurt und hören bayrische Volksmusik. Erinnert mich ein bisschen an Terry Gilliams Brothers Grimm, wo man ständig versuchte, dem Zuschauer weiszumachen, Kassel läge „in der Nähe von Frankfurt“. Amerikanische Sicht von deutscher Geographie ;-).

    Bemerkenswert auch die sog. „Case Managerin“ Donna LaCroix (ich liebe diesen Namen ;-)), die die Hintergründe zu dem Fall „recherchiert“ hat. Völlig überzeugt behauptet sie z.B., Dippel sei auf der Burg gestorben, nachdem er eine seiner eigenen Tinkturen getrunken hatte. Schön, dass in solchen Sendungen immer wieder Erkenntnisse zutage treten, von denen bisher niemand etwas auch nur geahnt hatte.

    Da stört es dann auch nicht, dass der junge Mann, der im Film als „Historiker“ bezeichnet wird, in Wahrheit das Mitglied einer Truppe von „Hobby-Geisterjägern“ ist, die selbst gerade auf der Burg Ausschau nach Geistern gehalten haben.

    Der Besuch bei Possmann ist auch klasse, vor allem die Begründung: um die einheimische Kultur kennenzulernen. Na denn, Prost, Jungs!

    Und der Geist sagt am Ende angeblich „Komm hier“, was doch eine sehr merkwürdige Grammatik ist „Komm her“ ohne i soll es wohl heißen, da ist dem Übersetzer in der Pre-Production wohl ein kleiner Fehler unterlaufen ;-).

    Und was die „Win-Win-Situation“ betrifft, die geht noch viel weiter und hat mit Geistern nur am Rande zu tun, denn: die Amis haben mit ihrer Show nicht nur ohnehin schon gute Einschaltquoten, sondern verbreiten sie jetzt über das Internet auch in Deutschland, der Burg-Pächter kann die Show auf seiner Homepage zeigen, um das Halloween-Festival zu promoten und Walter Scheele durfte einem Millionenpublikum seine Thesen unterbreiten, auch wenn (ich glaube mit nur einer einzigen Ausnahme) alles, was er da im Laufe der Sendung sagt, nachweislich Blödsinn ist – US-Touristen aber kamen und kommen auf die Burg Frankenstein mit der festen Überzeugung: hier entstand das Buch. Das ist also in der Tat ein echtes Win-Win-Geschäft ;-).

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