Die schwarze Mumienhand von Schloss Hohenlimburg




Der Blitz, der in einer Sturmnacht des Jahres 1811 in den Bergfried von Schloss Hohenlimburg einschlug, brachte eine grausigen Fund aus dem Mittelalter ans Licht. Im Gebäude war zunächst nichts mehr zu retten. Die Haube des alten westfälischen Burgturms fing Feuer.

Lichterloh schlugen die Flammen aus dem Turm, in dem sich noch ein Archiv befand. Gut die Hälfte des einst so stolzen Luginsland musste anschließend abgetragen werden.

Der Turm mit seinem Notdach fügt sich seitdem überhaupt nicht mehr in die Symmetrie der Anlage ein. Aber das wr damals egal. Zwischen den verkohlten Holzbalken und den Steinschichten stießen die Arbeiter beim Abbruch auf einen eingemauerten, menschlichen Überrest: Eine mumifizierte Hand, gut im Kalkmörtel konserviert.


Das Geschlecht ihres Besitzers ist unklar. Man sieht nur, dass es eine rechte Hand ist. Die Finger sind ausgestreckt, um einen ist ein Bindfaden gewickelt.

Dass der Schnitt sehr sauber ausgeführt ist, deutet darauf hin, dass die Hand offenbar von jemandem abgetrennt worden ist, der sich mit Knochen und Gefäßen auskennt (Bader, Feldchirurg?).

Geschichte zum Fürchten

So sieht die Hand aus (Screenshot von der Schloss-Website www.schloss-hohenlimburg.de)

Was hatte der Fund zu bedeuten? Den örtlichen Pädagogen kam der Fund gerade Recht. Die nächsten Jahrzehnte verbrachten sie damit, anhand der Mumienhand dem Hohenlimburger Nachwuchs klar zu machen, wie schlimm es ist, den Eltern zu widersprechen.

Die Pauker erzählten bis weit ins 20. Jahrhundert hinein die Mär vom Grafen von Isenberg-Limburg (junior), der seine Mutter geschlagen habe.

Zur Strafe habe Vater Graf Dietrich von Isenberg-Limburg ihm – nach alttestamentarischer Rechtsauffassung durchaus gerechtfertigt – die Hand abgeschlagen haben. Wegen Verstoßes gegen das „Du sollst Vater und Mutter ehren“-Gebot.

Ist die Hand ein „Leibzeichen“?

Innenhof und Burgturm von Schloss Hohenlimburg mit „Notdach“

In den Familien der umliegenden Täler soll nach den jährlichen Schulausflügen auf das Schloss immer ein paar Tage angenehme Ruhe geherrscht haben.

Eine andere Theorie bezieht ihre Glaubwürdigkeit eher vom Fundort: Der Mauer des alten Archivs. Da die Burg jahrhundertelang Gerichtssitz war, könnte die Hand ein so genanntes Leibzeichen sein.

Bei ungeklärten Mordfällen wurde dem Opfer (nicht dem Täter!) gelegentlich die Hand abgehackt, damit es später während eines Prozesses zu einem Aufeinandertreffen des klagenden Opfers (vertreten durch die „anklagende“ Hand) und dem Verdächtigen kommen konnte.

Da ein Mumifizieren des kompletten Getöteten zu aufwändig war, beließ man es bei der Einbalsamierung der Hand. Nach Abschluss des Prozesses wurde das Relikt dann auch bestattet.

Wenn es allerdings nicht zur Verhandlung kam, blieb die Hand liegen und konnte schon mal in einem Archiv (Sic!) vergessen werden.

Mehr zur Hohenlimburger Hand bei Spektrum.de: „Geheimnis der schwarzen Hand gelüftet„.

Blick vom restaurierten Wehrgang

Das würde auch den Bindfaden an einem Finger erklären: An diesem könnte eine Karte mit Informationen zum Asservat gehangen haben, die nicht erhalten ist.

Es gibt in Deutschland einige ähnliche Fälle von Mumienhänden. 1708 wurde auf dem Dachboden des Rathauses in Goslar auch eine gefunden.

Eine ganz andere Erklärung hat eine Bekannte von mir, die der Ansicht ist, dass das Einmauern einer Schwurhand (ja, es ist eine rechte Hand) in der abergläubischen Frühen Neuzeit nur etwas mit Schutzzaubern zu tun haben kann.

Schwarze Magie im Turm? Nunja, man weiß es nicht. Gegen Blitzschlag und Feuer hat die Hand jedenfalls nicht geholfen.

Heute kann man die schwarze Hand auf Schloss Hohenlimburg im erhaltenen Turm in einer Vitrine sehen.



Die abgeschlagene Rechte des Gegenkönigs

Schwurhände hatten für die Menschen im Mittelalter jedenfalls eine enorme Bedeutung. Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden soll im Oktober 1080 in der Schlacht von Hohenmölsen die rechte Hand abgeschlagen worden sein.

Seine Seite gewann zwar die Schlacht, aber Rudolf starb an seinen Verletzungen.

Rudolfs Gegner erklärten den mutmaßlichen Verlust der Schwurhand als sichtbares Zeichen göttlicher Strafe. Eine mumifizierte Hand, die Rudolf gehört haben soll, wird seitdem im Merseburger Dom (heute im Dommuseum) aufbewahrt.

Die mumifizierte Hand von Rudolf von Rheinfelden als Ausstellungsstück:

Auch das Einmauern von Lebewesen kam im Mittelalter gelegentlich vor: Als Opfer zum Schutz der Burg. Beispielsweise wurde in einer vermauerten Kammer von Schloss Burgk in Thüringen 1739 die Mumie eines Hundes entdeckt, den mittelalterliche Bauleute dort wohl bewusst eingesperrt hatten. Ziemlich grausam.

Das Schloss ist eigentlich eine etwa 1240 gebaute Burg Limburg (oder „hohe Limburg“), mit der Graf Dietrich I. von Altena-Isenberg das Lenne-Tal beherrschen wollte. Erstmals erwähnt wird die Anlage 1242.

Der Erbauer ist übrigens der Sohn des hingerichteten Friedrich von Isenberg, der zuvor den Kölner Erzbischof hatte umbringen lassen. Aus dem Erbe des geächteten Vaters erhielt er nur einen kleinen Teil um besagte Burg.

Den restlichen Besitz teilten sich die Grafen von der Mark und das Erzbistum Köln (siehe auch: „Burg Blankenstein, erbaut auf dem Land des toten Mörders“).

Die Isenbergs hatten nur einige Jahrzehnte etwas von der Burg: 1288 eroberte Eberhard I. von der Mark das Gemäuer. Er hatten gerade den Kölner Erzbischof in der Schlacht von Worringen geschlagen und gefangen genommen hatte, was u.a. zur Stadterhebung von Düsseldorf führte.

So gestärkt kassierte er also die Limburg ein – und verlor sie 1299/1300 erstmal wieder für vier Jahre an seinen revoltierenden Gefolgsmann, den Ritter Sobbo de Svirte.

Die Burg wechselte noch mehrfach (gewaltsam oder auch mal gewaltfrei) den Besitzer, bis sie 1592 an die Fürsten von Bentheim-Tecklenburg fiel. Abgesehen von Besetzungen durch feindliche Truppen ist das Schloss seitdem ununterbrochen im Familienbesitz derer von Bentheim-Tecklenburg. Seit nunmehr 24 Generationen.

Der Dreißigjährige Krieg brachte natürlich auch der Limburg eine Einquartierung (kaiserliche Truppen von 1633 bis 1636). Bei ihrem Abzug legten sie Feuer an die mittelalterliche Vorburg, die daraufhin abbrannte.

Im 16. Jahrhundert wandelte sich die Burg hin zum spätbarocken Schloss, behielt aber ihre Bauform bei. Es kamen lediglich neue Gebäude hinzu. Im Inneren fällt unter anderem der opulente Einsatz von kostbaren Delfter Porzellankacheln auf.

Einer der Grafen hatte in Holland Musik studiert und dabei den elegant-glänzenden Wandschmuck lieb gewonnen. Die Wände des Fürstensaals (das heutige Trauzimmer) ließ er mit weißen Delfter Kacheln bekleben.

Das sollte wohl auch die Akustik verbessern. Der hohe Herr wollte dort ja gern selbst musizieren. Außerdem ist der Raum mit roter Tapete versehen, die das napoleonische Wappen, die Biene, trägt.

Die Grafen regieren von hier aus Limburg. Im Lauf der Zeit spielt sich dann allerdings eine Pendel-Regierung zwischen Schloss Hohenlimburg (als Sommer-Residenz) und Schloss Rheda im Winter ein.

1808 fällt die Grafschaft Limburg an das Großherzogtum Mark, 1818 an Preußen. Das Schloss bleibt der Familie von Bentheim-Tecklenburg aber (da kein „Feindbesitz“) erhalten. Die letzte fürstliche Bewohnerin starb Anfang der 1950er Jahre.

Für sie war extra im ersten Stock des Schlossbaus eine winzige Toilette eingebaut worden. Mehr Plumpsklo als Prinzessinnen-WC.

Die Räume übrigens sind mit Originalmöbeln aus dem Biedermeier ausgestattet und sollen „einen Eindruck der höfischen Wohnkultur auf einer Residenz des 19. Jahrhunderts vermitteln“, wie die NRW-Stiftung schreibt. Fotografieren ist bei den Führungen leider nicht gestattet.

Um den Erhalt von Schloss Hohenlimburg zu sichern, vermieten die Besitzer mehrere Räume und lassen auch Trauzeremonien stattfinden. Das hat zur Folge, dass man bei den Schlossführungen ständig auf potentielle Ehepaare mitsamt Teilen der Schwiegereltern trifft.

Wenn es schon beim Rundgang ersten Streit gibt, sollte man das als Warnzeichen nehmen…

Das Schlossmuseum wird von einer Gemeinnützigen GmbH betrieben, die sich auch bemüht, weitere Spenden für die Anlage aufzutreiben. Als letztes ist der alte Wehrgang auf der Mauer wieder hergestellt und begehbar gemacht worden.

Die Aussicht von Schloss Hohenlimburg bis zur Dortmunder Hohensyburg ist natürlich phänomenal. Natürlich nur, wenn’s gerade mal nicht regnet.

Die Öffentlichkeitsarbeit ist recht gut, Kulturveranstaltungen waren vor der Pandemie häufig (siehe Schloss-Homepage), Schlossführungen laufen etwa stündlich um jeweils halb.

Mit der schwarzen Hand hat man natürlich auch einen tollen Besucher-Magneten.

Lage: Schloss Hohenlimburg, Alte Schlossstraße 30, 58119 Hagen-Hohenlimburg

Fotos: Burgerbe.de






3 Gedanken zu „Die schwarze Mumienhand von Schloss Hohenlimburg“

  1. hallo,
    auch ich bin mir der Sage von der „Schwarzen“ !!! Hand aufgewachsen. Es ist schade, wenn alte Legenden bzw. Sagen immer so nüchtern wissenschaftlich erklärt werden (auch wenn’s interessant ist). Für mich bleibt es die Hand von dem Edelknaben (man soll nie seine Mutter schlagen!), auch wenn’s märchenhaft klingt. Selbst die Kinder wissen, dass es wahrscheinlich nicht stimmt – bei der Erzählung der Legende bekommen aber alle noch glänzende Augen.

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