Wie das Rodensteiner Geisterheer die Behörden foppte




Was brauset so schaurig vom Walde
Zur Mitternachtsstunde herab?
Was brauset durch Häuser und Bäume
In luftiger dunkler Gestalt?
Es ziehet mit Reuter und Rossen
Und rasselndem Kriegesgeräth,
Von einem der Schlösser zum andern
Der schreckliche Rodenstein aus!

rodensteiner.jpgKlingt gut, nicht?

So beginnt das Buch Der Burggeist von Rodenstein oder der Landgeist im Odenwalde. Eine alte Volkssage, 1816 von Konrad Dahl in Frankfurt herausgebracht. Übrigens kein Roman, sondern die kommentierte Erzählung einer alten Sage, die immer wieder versucht, der zugrunde liegenden Geistergeschichte auf den Grund zu kommen.

So eine Art „Akte X“ des ausgehenden Absolutismus.

Geschichten von Geisterheeren oder gespenstischen Jagdgesellschaften hoch in den Wolken sind von diversen Orten überliefert. Das Thema ist deshalb so interessant, weil es offenbar zeitlos ist und germanische Mythen fortsetzt: Die Geschichte vom Donnergott Thor, der auf seinem Streitwagen über den Himmel jagt.

Behörden verhörten Zeugen

Das Kuriose an der Rodensteiner-Überlieferung aus dem Odenwald ist, dass sie im vermeintlich aufgeklärten 18. Jahrhundert die Behörden auf den Plan rief, die Zeugenaussagen sammelten und den Geistern hinterher recherchierten. Ein Verhalten, das durchaus an die (auch behördliche) Ufo-Hysterie der frühen 1950er Jahre erinnert.

Zieht – weh uns – ins ferne Blachfeld hinaus
Der nächtliche Landsturm der Geister,
Dann tönt schon die Klage in jedem Haus:
Fort, rettet die Habe, mit Raub und Braus
Wird hier der Kriegsknecht zum Meister.

Doch zieht er zurück in sein Felsenschloss,
Der Herr den wir zitternd nur nennen,
Dann tönt bald schwächer des Feindes Geschoss;
Es wendet der Krieger das schäumende Ross,
Die Lampe des Friedens mag brennen.

Aber erstmal zu den Fakten:
rodenstein_1.jpgrodenstein_1.jpgrodenstein_1.jpgDie Herren von Crumbach und Rodenstein ließen die Burg um 1240 als Gegenstück zur Burg Reichenberg der Grafen von Erbach errichten. Ihr Nachkomme Hans von Rodenstein (1418-1500) war ein umtriebiger Geselle, der erst im Alter von 52 Jahren heiratete. Dann wurde er jedoch fromm und stiftete zusammen mit seiner Frau eine Kirche. Er starb 82-jährig bei einer Wallfahrt in Rom im Jahr 1500 – eines der großen Ablass-Jahre. Dort liegt er auch begraben.

Es ist eigentlich ziemlich ungerecht, aber ausgerechnet auf ihn verweist nun die Sage vom Geisterheer. Danach habe der Rodensteiner seiner hochschwangeren Frau nicht beistehen wollen und lieber an der sechs Kilometer entfernten Schnellertsburg gekämpft. Die Frau starb bei der Geburt mitsamt Kind und erschien dem Kämpfenden als Geist.

Das Gespenst verfluchte den Haudegen, von nun an dem Land durch seine lärmende Jagd Krieg und Frieden zu verkünden.

Du hast deine Schwüre gebrochen,
Du hast deine Ehe entweiht;
Du hast deine Gattin gemordet,
Du hast deinen Knaben gewürgt.
Darum ziehe als scheußlicher Bote
Des Krieges im Lande herum,
Und künde dem ängstlichen Volke
Die künft´gen Verwüstungen an!

Die Rodensteiner blieben noch mehr als 130 Jahre bedeutende Herren. Fritz von Rodenstein („der Tolle“) zeichnete sich 1529 im Türkenkrieg aus. Ein Gedicht von Albert Ludwig Grimm nennt ihn den eigentlichen Schnellertsgeist.

Nach dem Tod Adam von Rodensteins im Pestjahr 1635 blieb die Burg unbewohnt, wurde nur noch als Baumaterialquelle genutzt und verfiel. Heute ist sie Ruine, ebenso wie die wohl bereits im 14. Jahrhundert zerstörte Burg Schnellerts.

Im Volk wurde immer wieder von seltsamen Geräuschen berichtet, die man mit dem Schnellertsgeist in Verbindung brachte. Im 18. Jahrhundert nahmen die Geisterberichte derart überhand, dass die Behörden der Grafschaft Erbach 1742 eine Untersuchung anordneten. So wurde das Phänomen aktenkundig.

rodenstein_1.jpgIn diesem Jahr gab Bauer Simon Daum dem Amtmann Georg Philipp Wittich zu Protokoll, dass er den Schnellertsgeist viele Mal mit seiner wilden Jagd über seinen Hof habe hinwegziehen hören. „Und zwar zu der Zeit, wann Krieg und Völkermärsche sich ereignen wollen.“

Viele Nachbarn der Ruinen Rodenstein (Bild) und Schnellerts erzählten Ähnliches (ihre gesammelten Aussagen sind in den so genannten Reichenbacher Protokollen zu finden, die bis 1796 reichen).

Die Nachforschungen dauerten sechs Jahre und brachten außer Ohrenzeugen-Berichten nichts zu Tage. Sie sorgten aber dafür, dass die Vorkommnisse im Odenwald in ganz Deutschland bekannt wurden.

Das Protokoll der Aussage von Bauer Daum ist erhalten und wurde netterweise von Stefan Steiger ins Netz gestellt.

Und auch noch Jahrzehnte später mussten die gräflichen Behörden Beschwerden über die tobende Geistermeute entgegennehmen. Natürlich suchte man auch schon nach wissenschaftlichen Erklärungen. Der Einsturz unterirdischer Höhlen wurde ebenso in Erwägung gezogen wie „elektrische“ Phänomene.

Regierungsrat Neuhof aus Homburg machte es sich 1781 recht einfach, indem er die „Stärke der Einbildung“ des „unwissenden Pöbels“ als Erklärung heranzog.

Und seit seinem blutigen Tode
Geht er als Gespenste umher,
Mit Reutern und Rossen umgeben,
Und schrecklich bei finsterer Nacht.
Und wenn in dem römischen Reiche
Sich fern eine Fehde entspinnt,
So ziehet er aus seinen Ruinen,
Verkündend den kommenden Krieg

Die Sage um den Rodensteiner wurde mit dem Aufkeimen eines deutschen Nationalgefühls 60 bis 100 Jahre später politisiert. 1807 schrieb August-Friedrich Langbein die Ballade „Der Kriegs- und Friedensherold“. Aus dem Raubein wurde im Biedermeier ein loyaler Diener des Kaisers.




Dabei drängt sich die Parallele zur Barbarossa-Sage natürlich auf. In der Überlieferung sind Hans von Rodenstein und der „tolle Fritz“ möglicherweise zu dem sagenhaften Rodensteiner verschmolzen.

Konrad Dahl versuchte 1816 in besagtem Buch der Sache historisch auf den Grund zu gehen. Werner Bergengruen bemühte sich dann 1923 in seinem Buch Rodenstein die diversen Sagen auf einen Nenner zu bringen.

Doch auch außerhalb der Literatur lebt der Gedanke an den Schnellertsgeist weiter. Zeugen wollen das Geisterheer noch 1914, 1936 und sogar 1989 gesehen haben.

Links: Die Website zur Ruine von Stefan Steiger enthält ausführliche Informationen und eine umfassende Literaturliste. Einen eigenen Wikipedia-Eintrag hat der Rodensteiner mittlerweile übrigens auch.

Bild: Ruine Rodenstein / Wikipedia (Public Domain)



8 Gedanken zu „Wie das Rodensteiner Geisterheer die Behörden foppte“

  1. Geherte Frau Anton, ich wäre an Ihrem Film über Rodenstein und Schnellertsgeist sehr interessiert! Wie kann ich Sie erreichen? Unter angegebenen Telefonnummer wohl nicht mehr…

  2. gelesen habe ich es bei echo-online.de
    ich werde der redaktion einfach mal mailen, du erfährst es dann natürlich als erster 😉

  3. @papilias: könntest dich da mal schlau machen? der film würde mich auch interessieren. vielleicht ist der ja auch bestellbar.

  4. es gibt übrigens einen Film zu dem Thema: „Rodenstein und Schnellertsgeist – Das wilde Heer im Odenwald“

    Er wird allerdings anscheinend nur zweimal gezeigt: In Darmstadt und im Oktober bei den Reichelsheimer Märchentagen.

    Naja, vielleicht ergibt sich irgendwie anders die Möglichkeit den Film zu sehen. Würde mich schon interessieren…

    1. Wer den Film kaufen will, kann dies bei mir (der Regisseurin) oder im Rathaus der Gemeinde Reichelsheim. Gruß L.Anton Tel.:06151/43715

  5. den wiki-eintrag hab ich auch schon gesehen 🙂 sehr gut gemacht und für mich mal wieder ein lohnendes reiseziel 🙂 irgendwann…

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